Die neueste Studie der SATW in Zusammenarbeit mit Swissmem beleuchtet kritisch die Innovationsaktivitäten der Schweizer Industrie und bestätigt die negativen Trends von der gleichnamigen Studie aus dem Jahr 2021. Sie betont jedoch gleichzeitig, dass ein differenzierter Blick wesentlich ist, um das grosse Ganze und Unterschiede zwischen den verschiedenen Industrieklassen zu erfassen und verstehen. Die Studie beinhaltet auch Handlungsempfehlungen, die sich an unterschiedliche Akteur:innen richtet: Innovationskraftanalyse 2024
Die Handlungsempfehlungen bildeten die Grundlage für die Gruppendiskussionen am Launch-Event.
Folgende Ergebnisse und Anregungen ergaben sich aus den Gesprächen:
Politische Akteur:innen: Matchmaking auf professioneller Innovationsebene. Die Vernetzung ist ein sehr wertvoller Ansatz, denn KMU tun sich schwer damit, ausserhalb ihres Netzwerkes geeignete Partner:innen zu finden. Es gibt bereits viele Initiativen: Diese sind jedoch regional begrenzt oder wenig dynamisch. Eine nationale digitale Plattform wäre wünschenswert, weil sie nicht nur Angebote und Akteur:innen, sondern auch aktuelle Probleme und Herausforderungen abbilden und schweizweit genutzt werden können. Um die Auffindbarkeit und Nutzbarkeit zu erhöhen, müssten Technologien wie z. B. KI zum Einsatz kommen. Gleichzeitig ist ein umfassender Datenschutz zu gewährleisten, denn die Idee ist, dass Firmen möglichst viele ihrer Probleme preisgeben, um passende Kooperationspartner zu finden. Aufgrund der Glaubwürdigkeitsfrage eignet sich eine Bundesinstanz wie z. B. das SBFI als Aggregator, um eine nationale Plattform zu kreieren.
Industrieverbände und Hochschulen: Umdenken und Sensibilisierung. Innovation muss im Top-Management verankert und vorgelebt werden. Förderlich hierfür sind u. a. die Sichtbarmachung entsprechender Weiterbildungsangebote sowie das Motivieren von Mitarbeitenden wie Führungskräften, sich mit Innovation auseinanderzusetzen. Eine positive Fehlerkultur ist unumgänglich für Innovationsförderung. Viele Instrumente und Initiativen sind bereits vorhanden, aber die Orientierung gerade in Bezug auf Branchen, Themen und Regionen ist noch eine Herausforderung. Das gegenseitige Verständnis für die unterschiedlichen Denkweisen in Wissenschaft / Unternehmertum ist wichtig, denn beide Seiten können voneinander lernen, umzudenken beginnen und den Blick umfassender werden lassen. Auf Kommunikationsebene ist es bedeutsam, mehr Stories rund um Innovation zu teilen. Denn sie inspirieren und zeigen, was möglich ist und wie andere Innovation betreiben.
Innovationsförderstellen: Innovationskultur verankern und leben. Die Verantwortung liegt im Verwaltungsrat auf oberster Ebene, die eigentliche Innovation erfolgt jedoch auf allen Ebenen des Unternehmens. Hierfür braucht es mehr Bildung und Freiraum ohne Zeitdruck, um auszuprobieren und scheitern zu können. Dies gilt vor allem für disruptive Innovation, denn sie braucht Zeit und passt nicht in Businesspläne und kurzfristige Budgetierungen. Zum Innovationsmanagement gehört auch die regelmässige kritische Prüfung des Fortschritts, die hilft zu entscheiden, ob Aktivitäten allenfalls aufgeschoben oder abgebrochen werden. Manchmal sind die Kosten für solche Entscheide ausschlaggebend. Venture Capital (auch: Risikokapital) wird zurzeit vor allem seitens grosser Firmen oder Privatinvestoren gesprochen – es wirkt sich positiv auf Innovation aus und ist in der Schweiz noch nicht sehr verbreitet. Manche Firmen setzen zudem auf Spiele, um Innovation „zu üben“: So denken sich die Beteiligten in mögliche Szenarien ein und suchen Lösungen für fiktive Probleme. Zudem ist es fundamental wichtig, dass Innovationsteams divers und gemischt sind, dazu gehören Unterschiede bezüglich Fähigkeiten, Herkunft, Alter, beruflicher Hintergrund Branche etc. Das Berücksichtigen der vollständigen Lieferketten und die Schaffung grösserer Konsortien von Industrie- und Forschungspartner:innen wären für Innovation sehr förderlich; gerade die Schweiz ist dringend auf die Zusammenarbeit mit dem Ausland angewiesen, da bieten sich auch Kooperationen mit Swissnex-Stellen verschiedener Länder an.
Hochschulen: Ausbau von Technologietransferstellen. Grossunternehmen sind im Bereich F&E prinzipiell gut unterwegs, deshalb soll vor allem das Angebot für KMU erweitert werden. Viele KMU haben Berührungsängste der Akademie gegenüber, weil sie verzerrte Bilder von der Wissenschaft und Professor:innen haben. Es bestehen jedoch tatsächlich auch divergierende Interessen und Bedürfnisse, denn Forschende legen den Fokus auf Publikationen, müssen einem hohen Qualitätsanspruch gerecht werden und haben dafür einen anderen Zeithorizont. KMU hingegen stehen unter hohem Innovations-, Wettbewerbs- und Zeitdruck. Sie müssen rasch, effizient und mit niedrigen Kosten produzieren und liefern. Ein möglicher Lösungsansatz besteht im sogenannten Industry Impact, wie er bereits in den USA verbreitet ist: Praktische Industrieerfahrung wird zu einem wichtigen Kriterium bei der Bewertung von Wissenschaftler:innen und ihrer Arbeit. Dies würde die Zusammenarbeit mit der Industrie und die angewandte Forschung fördern.
Ein grosses Dankeschön an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, an unsere Gastgeber:innen und Mitwirkenden. Dieser Event wurde möglich gemacht dank der Zusammenarbeit und grosszügigen Unterstützung von: Swissmem, Kanton Zürich, BRIDGE Lab der Universität Zürich, ZHAW Centre for Artificial Intelligence und CLAIRE.