Im Herzen der Schweizer Sicherheitspolitik – Abendveranstaltung Cyber-Souveränität

Cybersecurity 16:53

Wie sicher ist die Schweiz im Cyberraum? Die Abendveranstaltung «Cyber-Souveränität» zeigte auf, dass grosse Herausforderungen bei der Durchsetzung von nationalen Interessen und dem Schutz eigener Assets bestehen. Als Höhepunkt stellte Bundesrat Guy Parmelin seine sicherheitspolitische Vision vor.

Wie sicher ist die Schweiz im Cyberraum? Die Abendveranstaltung «Cyber-Souveränität» zeigte auf, dass grosse Herausforderungen bei der Durchsetzung von nationalen Interessen und dem Schutz eigener Assets bestehen. Als Höhepunkt der Veranstaltung stellte Bundesrat Guy Parmelin seine sicherheitspolitische Vision vor.

Der Beirat Cyber-Defence des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS hat gemeinsam mit der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften SATW am 20. September 2017 zur Abendveranstaltung «Cyber-Souveränität» geladen.

SATW-Vizepräsident Eric Fumeaux begrüsste die rund 70 geladenen Personen zum Anlass. Er stellte die SATW mit ihren Aufgaben vor und übergab das Wort an den Präsidenten des Beirats Cyber-Defence VBS Adolf Dörig, der die Ziele sowie den Hintergrund der Veranstaltung erläuterte. In einem ersten Teil wurden die Resultate von Workshops zum Thema Cyber-Souveränität, welche am Nachmittag mit ausgewählten Experten stattgefunden hatten, dem Publikum vorgestellt. Nach einem Apéro Riche folgte eine Podiumsdiskussion und als Höhepunkt des Abends trat Bundesrat Guy Parmelin, Departementsvorsteher VBS, ans Rednerpult.

Hochkarätige Podiumsdiskussion

Reto Brennwald leitete die Podiumsdiskussion mit Dominique Andrey, Militärischer Berater von Bundesrat Guy Parmelin, Prof. Lino Guzzella, Präsident ETH Zürich, Peter Grütter, Präsident asut, Pascal Kaufmann, CEO Starmind, und Prof. Martin Vetterli, Präsident EPFL. Gibt es sie nun, die Cyber-Souveränität? Falls nicht, müsste man sie schaffen, so Dominique Andrey. Und wenn nicht für die ganze Schweiz, so zumindest für die Streitkräfte. Diese bräuchten Souveränität, also Herrschaft, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Peter Grütter stellte zur Debatte, ob «Souveränität» der richtige Begriff sei. Territoriale Souveränität sei im Cyberraum nicht gegeben und Lino Guzzella gab zu bedenken, dass es kein Machtmonopol im Cyberraum gebe. Dennoch müsse der Staat Bereiche wie kritische Infrastrukturen oder Gesundheitssysteme schützen. Dafür brauche es eine konzentrierte Aktion von Staat, Forschung und Wirtschaft.

Ist es ein Kernproblem, dass die Hard- und Software unserer Systeme nicht in der Schweiz hergestellt werden? Laut Pascal Kaufmann braucht es bzgl. Daten mehr Bewusstsein. Persönlich gebe er bewusst Daten Preis, sofern der Nutzen stimmt. Die Schweiz könne aber bzgl. Sicherheit und Daten eine Führungsrolle wahrnehmen und es gebe hierzulande Nischenprodukte mit grossem Potenzial. Martin Vetterli nannte Israel als Beispiel für ein kleines Land, dass Cyber-Souveränität erreicht habe und weltweit führend sei. Allerdings habe Israel andere geopolitische Herausforderungen. «Das Problem ist, dass wir uns nicht bewusst sind, keine Souveränität zu haben. Unsere Daten gehen nach Kalifornien und werden uns dann zurückverkauft. Wir müssen verstehen, dass wir unsere Eigenständigkeit verloren haben, und versuchen, sie zurückzugewinnen.» Lino Guzzella stimmte zu und wies auf Schweizer Produkte hin, die das Problem lösen könnten: «Es gibt an den Hochschulen Lösungen, um Datenexport zu verhindern. Davon würde auch das Militär profitieren». Bzgl. Israel gab Peter Grütter zu bedenken, dass man in der Schweiz nie bereit sei, einen so hohen Betrag für Sicherheit zu investieren. Man müsse der Bevölkerung aber klarmachen, welche Vorteile Cyber-Sicherheit habe. Darin bestehe grosser Nachholbedarf.

Wer übernimmt die Führungsrolle?

Wer hat den Lead bei diesem Thema, wollte Reto Brennwald wissen: Dies sei eine politische Frage, so Martin Vetterli. Er sieht aber die Hochschulen als Dienstleister des Staats in der Pflicht. Zudem könne das Thema nicht bei einem Departement verortet werden, es betreffe wahrscheinlich alle. Laut Pascal Kaufmann spielt die Wirtschaft eine grosse Rolle: Businessmodelle, die auf Schweizer Qualität und Sicherheit bauen, seien erfolgreich. Lino Guzzella erwähnte das Crypto-Valley: In Zug wächst ein globales Ökosystem heran, ohne Steuerung von oben. Die lokalen Politiker haben für gute Rahmenbedingungen gesorgt und sich dann zurückgezogen. Wer heute eine Crypto-Currency schaffe, gehe nach Zug. «Man muss die richtigen Leute anlocken und machen lassen. Vor allem darf man sie nicht behindern.» Laut Martin Vetterli gelte es, einen Markt zu kreieren: «Wenn Geld investiert wird, passiert auch was.» Dominique Andrey gab zu bedenken, dass Kantone und Bevölkerung zurückhaltend seien, wenn etwas aus Bern komme. «Ein Diktat von oben ist in der Schweiz nicht realistisch.» Peter Grütter plädierte dafür, zunächst die Rollen zu klären, wozu der heutige Tag ein wichtiger erster Schritt sei. Soll Cyber-Souveränität in der Verfassung festgeschrieben werden? Während sich einige verhalten positiv äusserten, hält Dominique Andrey dies für unnötig: Implizit sei dies durch Artikel 2 der BV abgedeckt.

«Es gibt keine Sicherheit zum Nulltarif»

Höhepunkt des Abends war die sicherheitspolitische Vision von Bundesrat Guy Parmelin. Er bedankte sich bei den Organisatoren für die Weitsicht, das Thema auf die Agenda zu setzen. «Die Diskussion über Cyber-Souveränität führt uns ins Herz der Sicherheitspolitik», machte er deutlich. Es sei ein sensibles und komplexes Thema, für das er sich stark engagiere. Vor der Türe stünden grosse Herausforderungen. Man sei mit einer geopolitischen Lage konfrontiert, die beunruhige. «Deshalb müssen wir investieren, denn es gibt keine Sicherheit zum Nulltarif.» Er hob drei wichtige Entwicklungen im Cyberraum hervor: Immer mehr Cyberwaffen seien im Umlauf. Die Verletzlichkeit nehme zu, weil die Anzahl schlecht gesicherter Systeme explodiere. Schliesslich gebe es immer weniger Möglichkeiten, sich einfach und kostengünstig zu schützen. Die Situation entwickle sich also ungünstig. Darum habe er im Juni den Aktionsplan Cyber-Defence unterzeichnet. Allerdings seien alle, auch das VBS, mit der Herausforderung konfrontiert, ein Gleichgewicht zwischen der ohnehin düsteren Realität und irrationalen Ängsten zu finden. Zudem gelte es die nötigen Ressourcen zu finden, insbesondere qualifiziertes Personal.

Eigenständige Akteure werden

Man müsse auch weiter blicken: Wer heute ein technisches Gerät kaufe, müsse sich fragen, ob er es beherrsche. Die Antwort lautet Nein! Egal ob Smartphone oder Kampfflugzeug, in beidem stecken tausende Zeilen Code. Wo sind die Schwachstellen? Wer hat den Schlüssel, die Codes zu knacken? Guy Parmelin nannte viele weitere Beispiele, um die Herausforderungen zu verdeutlichen. Statt nur Gefahren zu sehen, gelte es, auch die Chancen zu nutzen. Man müsse feststellen, wo man stehe und nicht unnötigerweise das Rad neu erfinden. Er wünsche sich eine Kooperation aller, die Kompetenzen und Ressourcen einbringen können. «Weder die Schweiz noch das VBS sind Inseln. Die Digitalisierung bringt tiefgreifende Veränderungen mit sich. Wir müssen die Mittel bereitstellen, um diese Herausforderung zu meistern und eigenständige Akteure zu werden, nicht passive oder gar ignorante Konsumenten.»

Auskunft

Adrian Sulzer, Leiter Kommunikation und Marketing, Tel. +41 44 226 50 27, adrian.sulzer@satw.ch

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