Autor:innen: Emanuele Di Francesco (WRF), Rebecca Suhner (WRF), Christian Holzner (SATW), Xaver Edelmann (SATW und WRF)
In jüngster Zeit entstand auf EU-Ebene und in mehreren europäischen Ländern sowie in der Schweiz eine ganze Palette von Regulierungen, um die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft zu fördern.
Trotz dieser Bemühungen hat der neueste Circularity Gap Report gezeigt, dass die globale Kreislaufquote (Anteil von im Kreislauf geführten Materialien als Teil des gesamten Materialverbrauchs) von 9,1 Prozent im Jahr 2018 auf 7,2 Prozent im Jahr 2023 gesunken ist.
Der Circularity Gap Report für einzelne Länder weist bemerkenswerte Unterschiede auf: von 2,4 Prozent in Norwegen (2020) und 6,9 Prozent in der Schweiz (2023) über 9,7 Prozent in Österreich (2019) bis zu 24,5 Prozent in den Niederlanden (2020).
Diese Zahlen zeichnen ein paradoxes Bild: die verstärkten Bemühungen in den Kreislaufwirtschaftspolitiken haben insgesamt nicht zu einer erhöhten Kreislaufquote geführt. Am wichtigsten jedoch ist, dass die Quoten die Bedeutung der Überwachung des Fortschritts hin zur Kreislaufwirtschaft und ihrer Vorteile in Bezug auf Umweltauswirkungen betonen. Ohne klare Indikatoren und Überwachungsrahmen kann das tatsächliche Potenzial der Kreislaufwirtschaft zur Verbesserung der Nachhaltigkeit nicht gemessen und überprüft werden.
Um zu diesem Thema beizutragen, startete die SATW 2020 im Rahmen der Themenplattform für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft das Projekt "Kreislaufwirtschaft - wie gut ist die Schweiz?". Dieses Projekt unter der Leitung von Dr. Bruno Oberle, Präsident WRF, analysierte anhand von Interviews und Literaturstudien die Kreislaufwirtschaft in der Schweiz, ihre aktuellen Politiken und ihren Status sowie zukünftige Ziele und Potenziale. Das Projekt zielt darauf ab, neue Indikatoren zur Messung der Wirkung der Kreislaufwirtschaft in der Schweiz vorzuschlagen, damit diese auf aggregierter Ebene und auch für bestimmte Materialien und Sektoren besser erfasst und gesteuert werden kann.
In thematischen Präsentationen gab der Workshop am WRF’23 einen Überblick über die Gesetzgebung der Kreislaufwirtschaft auf EU-Ebene und in drei Ländern: Österreich, Deutschland und der Schweiz. Darüber hinaus wurde aus dem laufenden Projekt der SATW ein Überblick über den Vorschlag neuer Indikatoren bezüglich Kreislaufwirtschaft vermittelt. Im Folgenden werden die Highlights aus den Präsentationen und Diskussionen dargestellt.
Peder Jensen, Europäische Umweltagentur EEA
Die Anzahl der EU-Länder mit Politikrahmen zur Kreislaufwirtschaft ist von drei Ländern im Jahr 2016 auf 20 Länder im Jahr 2022 gestiegen. Nur wenige Länder führen eine Gesamtbewertung der Umsetzung zur Kreislaufwirtschaft durch, aber 15 Länder haben ihre eigenen Überwachungsrahmen entwickelt.
Ein wichtiger Indikator ist die Kreislaufmaterialnutzungsrate (Circular Materials Usage Rate, CMUR), die den Anteil der Abfallrückgewinnung am gesamten Materialverbrauch in der Wirtschaft angibt. Einige Länder haben bereits spezifische Ziele für die CMUR festgelegt (z.B. Estland oder Lettland).
Gewisse Länder haben auch Ziele für andere Dimensionen der Kreislaufwirtschaft gesetzt, wie die Reduzierung des Materialverbrauchs pro Kopf (Österreich), die Mindestmenge an wiederverwendeten Gütern (Belgien), Ressourceneffizienz (Estland) oder die Nutzung von rezykliertem Kunststoff (Frankreich).
In den folgenden fünf Bereichen wurden die wichtigsten Herausforderungen und Barrieren bei der Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft in Europa identifiziert:
Niklas Nierhoff, Bundesamt für Umwelt BAFU, Schweiz
Die aktuellen Rahmenbedingungen für die Kreislaufwirtschaft konzentrieren sich hauptsächlich auf Abfallverordnungen und betonen das Ende des Lebenszyklus und die Wiederverwendung. Dazu gehören ein Verbot der Deponierung von Haushaltsabfällen, erweiterte Herstellerverantwortung für Getränkeverpackungen und Batterien sowie die Wiederverwertung verschiedener anderer Materialien.
Selbst wenn alle Abfälle rezykliert werden könnten, würde dies nur ein Fünftel des derzeitigen Materialbedarfs abdecken. Dies unterstreicht die Notwendigkeit besserer Rahmenbedingungen und von Strategien, welche vor dem stofflichen Recycling ansetzen (wie Teilen oder Reparieren).
Ergänzende Massnahmen umfassen Branchenvereinbarungen, Förderprogramme und öffentliche Beschaffung. Die geschätzten Einsparungen durch ausgewählte Kreislaufwirtschaftsmassnahmen wären am höchsten in den Bereichen Lebensmittelabfälle, Stahl und Beton, Plastikabfälle und Biogas.
Eine laufende parlamentarische Initiative in der Schweiz konzentriert sich auf mehrere Aspekte der Stärkung der Kreislaufwirtschaft; unter anderem die Verankerung der Ressourcenerhaltung, die Stärkung der Wiederverwendung, mögliche Massnahmen zum Ökodesign von Produkten und Verpackungen oder die Kreislaufwirtschaft im Baugewerbe und in der öffentlichen Beschaffung. Baumaterialien machen etwa ein Zehntel des Treibhausgas-Fussabdrucks der Schweiz aus, und die Kreislaufwirtschaft bietet ein hohes Potenzial für den Bau von Gebäuden mit weniger eingebetteten Emissionen.
Brigitte Karigl, Umweltbundesamt, Österreich
Die österreichische Kreislaufwirtschaftsstrategie umfasst vier strategische Ziele:
Die operativen Ziele umfassen die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs (Material-Fussabdruck und Inlandsrohstoffverbrauch), die Steigerung der inländischen Ressourcenproduktivität (bis 2030 um 50 Prozent gegenüber 2015), die Steigerung der Zirkularitätsrate (auf 18 Prozent bis 2030) und die Reduzierung des Materialverbrauchs in Privathaushalten (bis 2030 um 10 Prozent gegenüber 2020).
Es wurden verschiedene Handlungsbereiche identifiziert, um den Übergang zur Kreislaufwirtschaft voranzutreiben: i) Gesetzgebung und Regulierung, ii) Marktanreize, iii) Finanzierung und Förderung, iv) Forschung, Technologieentwicklung und Innovation, v) Digitalisierung, vi) Information, Wissen und Zusammenarbeit. Das 2023 gegründete Circularity Lab Austria zielt ausserdem darauf ab, kreislaufwirtschaftliche Aktivitäten in Unternehmen zu fördern.
Timon Leopold, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz BMUV, Deutschland
Die Kreislaufwirtschaftsstrategien im Regierungskoalitionsvertrag von 2021 in Deutschland haben zwei übergreifende Ziele: die Reduzierung des Verbrauchs von Primärrohstoffen und die Schliessung von Stoffkreisläufen.
Die Kreislaufwirtschaft soll ein Treiber für Umweltschutz und Klimaschutz werden, mit dem Ziel, das Bruttoinlandprodukt und den Rohstoffverbrauch zu entkoppeln. Schlüsselbereiche, die von der nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie angegangen werden sollen, umfassen Kunststoffe, öffentliche Beschaffung, Kreislaufproduktion, Metalle, Fahrzeuge und Batterien, Elektronik, Informations- und Kommunikationstechnik, Gebäude und Textilien.
In Bezug auf die Messung und Überwachung ist der derzeitige Leitindikator die Gesamtrohstoffproduktivität. Da dieser Indikator jedoch unzureichend ist, um die Kreislauffähigkeit zu messen, untersucht Deutschland derzeit geeignetere Indikatoren wie die Kreislaufmaterialnutzungsrate.
Xaver Edelmann, SATW und WRF
Die Umweltziele einer Kreislaufwirtschaft umfassen grundsätzlich die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs, der Emissionen und der Materialabfälle sowie die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien und der Produktlebensdauer. Bei der Formulierung von Indikatoren ist es wichtig, dass Methoden und Daten verfügbar sind und dass sie sowohl für alle Materialflüsse als auch speziell für bestimmte Materialien wie beispielsweise Baumaterialien erfasst werden können.
Es gibt eine Vielzahl von Indikatoren, die im Zusammenhang mit verschiedenen Handlungsfeldern zur Verbesserung der Kreislaufwirtschaft und den damit verbundenen Auswirkungen vorgeschlagen werden, wie zum Beispiel der inländische Rohstoffverbrauch (RMC) für die Reduktion des Materialverbrauchs, die Produktlebensdauer für die Erweiterung der Nutzung von Gütern, die Kreislaufmaterialnutzungsrate als Mass für die Umsetzung geschlossener Kreisläufe oder die Reduzierung des Biodiversitätsverlust als Indikator für geringere Umweltauswirkungen im Allgemeinen.
Die ISO 59020-Norm «Kreislaufwirtschaft (CE): Messung und Bewertung der Kreislauffähigkeit», welche aktuell entwickelt wird, soll Richtlinien und Prozesse zur Messung und Bewertung der Kreislauffähigkeit vorschlagen. Schließlich sollten Indikatoren einfach anzuwenden, international akzeptiert und das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Regulierungsbehörden sein, um die Glaubwürdigkeit zu gewährleisten und das Greenwashing zu vermeiden.
Podiumsteilnehmende des Workshops:
Das World Resources Forum (WRF) ist eine internationale Non-Profit-Organisation, die gezielte Aktionen zur Förderung von Nachhaltigkeit und Fairness bei der weltweiten Nutzung natürlicher Ressourcen mobilisiert. Die WRF 2023 Konferenz (WRF’23) hat im September in Genf unter dem Titel «Rethinking Value – Resources For Planetary Wellbeing» stattgefunden und Vertreterinnen und Vertreter von Wissenschaft, öffentlichem Sektor, internationalen Organisationen und dem Privatsektor zusammengebracht. Dabei lag der Fokus vor allem auf den Themen Suffizienz, nachhaltige Wertschöpfungsketten und Digitalisierung, wobei das Thema Kreislaufwirtschaft in diversen interaktiven Workshops und wissenschaftlichen Präsentationen im Zentrum stand.