Kreislaufwirtschaft –Regulierungen und Erkenntnisse in Europa

Energie und Umwelt 14:13

Aktuell beschäftigen sich diverse europäische Länder mit der Einführung und Umsetzung von wegweisenden Gesetzgebungen im Bereich der Kreislaufwirtschaft. Es sind jedoch weitere Anstrengungen notwendig, um die Auswirkungen dieser Gesetze und Regulierungen zu verstehen und die Überwachung des Fortschritts hin zur Kreislaufwirtschaft zu verbessern. Dazu trafen sich ausgewiesene Expert:innen aus verschiedenen europäischen Umweltämtern zu einem Workshop am World Resources Forum 2023 (WRF’23) in Genf.

Autor:innen: Emanuele Di Francesco (WRF), Rebecca Suhner (WRF), Christian Holzner (SATW), Xaver Edelmann (SATW und WRF) 

Die Kreislaufquote ist in vielen Ländern immer noch ungenügend

In jüngster Zeit entstand auf EU-Ebene und in mehreren europäischen Ländern sowie in der Schweiz eine ganze Palette von Regulierungen, um die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft zu fördern.

Trotz dieser Bemühungen hat der neueste Circularity Gap Report gezeigt, dass die globale Kreislaufquote (Anteil von im Kreislauf geführten Materialien als Teil des gesamten Materialverbrauchs) von 9,1 Prozent im Jahr 2018 auf 7,2 Prozent im Jahr 2023 gesunken ist.

Der Circularity Gap Report für einzelne Länder weist bemerkenswerte Unterschiede auf: von 2,4 Prozent in Norwegen (2020) und 6,9 Prozent in der Schweiz (2023) über 9,7 Prozent in Österreich (2019) bis zu 24,5 Prozent in den Niederlanden (2020).

Diese Zahlen zeichnen ein paradoxes Bild: die verstärkten Bemühungen in den Kreislaufwirtschaftspolitiken haben insgesamt nicht zu einer erhöhten Kreislaufquote geführt. Am wichtigsten jedoch ist, dass die Quoten die Bedeutung der Überwachung des Fortschritts hin zur Kreislaufwirtschaft und ihrer Vorteile in Bezug auf Umweltauswirkungen betonen. Ohne klare Indikatoren und Überwachungsrahmen kann das tatsächliche Potenzial der Kreislaufwirtschaft zur Verbesserung der Nachhaltigkeit nicht gemessen und überprüft werden.

Um zu diesem Thema beizutragen, startete die SATW 2020 im Rahmen der Themenplattform für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft das Projekt "Kreislaufwirtschaft - wie gut ist die Schweiz?". Dieses Projekt unter der Leitung von Dr. Bruno Oberle, Präsident WRF, analysierte anhand von Interviews und Literaturstudien die Kreislaufwirtschaft in der Schweiz, ihre aktuellen Politiken und ihren Status sowie zukünftige Ziele und Potenziale. Das Projekt zielt darauf ab, neue Indikatoren zur Messung der Wirkung der Kreislaufwirtschaft in der Schweiz vorzuschlagen, damit diese auf aggregierter Ebene und auch für bestimmte Materialien und Sektoren besser erfasst und gesteuert werden kann.

Erfahrungsaustausch zwischen EU, Österreich, Deutschland und der Schweiz

In thematischen Präsentationen gab der Workshop am WRF’23 einen Überblick über die Gesetzgebung der Kreislaufwirtschaft auf EU-Ebene und in drei Ländern: Österreich, Deutschland und der Schweiz. Darüber hinaus wurde aus dem laufenden Projekt der SATW ein Überblick über den Vorschlag neuer Indikatoren bezüglich Kreislaufwirtschaft vermittelt. Im Folgenden werden die Highlights aus den Präsentationen und Diskussionen dargestellt.

Regulierungen der Kreislaufwirtschaft in den EU-Mitgliedsstaaten

Peder Jensen, Europäische Umweltagentur EEA

Die Anzahl der EU-Länder mit Politikrahmen zur Kreislaufwirtschaft ist von drei Ländern im Jahr 2016 auf 20 Länder im Jahr 2022 gestiegen. Nur wenige Länder führen eine Gesamtbewertung der Umsetzung zur Kreislaufwirtschaft durch, aber 15 Länder haben ihre eigenen Überwachungsrahmen entwickelt.

Ein wichtiger Indikator ist die Kreislaufmaterialnutzungsrate (Circular Materials Usage Rate, CMUR), die den Anteil der Abfallrückgewinnung am gesamten Materialverbrauch in der Wirtschaft angibt. Einige Länder haben bereits spezifische Ziele für die CMUR festgelegt (z.B. Estland oder Lettland).

Gewisse Länder haben auch Ziele für andere Dimensionen der Kreislaufwirtschaft gesetzt, wie die Reduzierung des Materialverbrauchs pro Kopf (Österreich), die Mindestmenge an wiederverwendeten Gütern (Belgien), Ressourceneffizienz (Estland) oder die Nutzung von rezykliertem Kunststoff (Frankreich).

In den folgenden fünf Bereichen wurden die wichtigsten Herausforderungen und Barrieren bei der Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft in Europa identifiziert:

  • institutionelle Strukturen und Führung
     
  • rechtliche und regulatorische Vorgaben
     
  • Markt, Wirtschaft und Finanzen
     
  • Verbraucherbewusstsein und Verhalten
     
  • technische und technologische Hindernisse. Daraus ergibt sich besonderer Handlungsbedarf bezüglich geeigneter Datengrundlagen harmonisierter Indikatoren sowie der Definition realistischer Ziele für die Kreislaufwirtschaft. 

Die Schweizerische Kreislaufwirtschaftspolitik und Gesetzgebung

Niklas Nierhoff, Bundesamt für Umwelt BAFU, Schweiz

Die aktuellen Rahmenbedingungen für die Kreislaufwirtschaft konzentrieren sich hauptsächlich auf Abfallverordnungen und betonen das Ende des Lebenszyklus und die Wiederverwendung. Dazu gehören ein Verbot der Deponierung von Haushaltsabfällen, erweiterte Herstellerverantwortung für Getränkeverpackungen und Batterien sowie die Wiederverwertung verschiedener anderer Materialien.

Selbst wenn alle Abfälle rezykliert werden könnten, würde dies nur ein Fünftel des derzeitigen Materialbedarfs abdecken. Dies unterstreicht die Notwendigkeit besserer Rahmenbedingungen und von Strategien, welche vor dem stofflichen Recycling ansetzen (wie Teilen oder Reparieren).

Ergänzende Massnahmen umfassen Branchenvereinbarungen, Förderprogramme und öffentliche Beschaffung. Die geschätzten Einsparungen durch ausgewählte Kreislaufwirtschaftsmassnahmen wären am höchsten in den Bereichen Lebensmittelabfälle, Stahl und Beton, Plastikabfälle und Biogas.

Eine laufende parlamentarische Initiative in der Schweiz konzentriert sich auf mehrere Aspekte der Stärkung der Kreislaufwirtschaft; unter anderem die Verankerung der Ressourcenerhaltung, die Stärkung der Wiederverwendung, mögliche Massnahmen zum Ökodesign von Produkten und Verpackungen oder die Kreislaufwirtschaft im Baugewerbe und in der öffentlichen Beschaffung. Baumaterialien machen etwa ein Zehntel des Treibhausgas-Fussabdrucks der Schweiz aus, und die Kreislaufwirtschaft bietet ein hohes Potenzial für den Bau von Gebäuden mit weniger eingebetteten Emissionen.

Die Österreichische Kreislaufwirtschaftsstrategie und Umsetzungsmassnahmen

Brigitte Karigl, Umweltbundesamt, Österreich

Die österreichische Kreislaufwirtschaftsstrategie umfasst vier strategische Ziele:

  • Ressourcenschonung
  • Vermeidung von Abfällen (Zero Waste)
  • Vermeidung von Umweltverschmutzung durch Schadstoffe (Zero Pollution)
  • Klimaschutz

Die operativen Ziele umfassen die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs (Material-Fussabdruck und Inlandsrohstoffverbrauch), die Steigerung der inländischen Ressourcenproduktivität (bis 2030 um 50 Prozent gegenüber 2015), die Steigerung der Zirkularitätsrate (auf 18 Prozent bis 2030) und die Reduzierung des Materialverbrauchs in Privathaushalten (bis 2030 um 10 Prozent gegenüber 2020).

Es wurden verschiedene Handlungsbereiche identifiziert, um den Übergang zur Kreislaufwirtschaft voranzutreiben: i) Gesetzgebung und Regulierung, ii) Marktanreize, iii) Finanzierung und Förderung, iv) Forschung, Technologieentwicklung und Innovation, v) Digitalisierung, vi) Information, Wissen und Zusammenarbeit. Das 2023 gegründete Circularity Lab Austria zielt ausserdem darauf ab, kreislaufwirtschaftliche Aktivitäten in Unternehmen zu fördern.

Die nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategien in Deutschland

Timon Leopold, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz BMUV, Deutschland

Die Kreislaufwirtschaftsstrategien im Regierungskoalitionsvertrag von 2021 in Deutschland haben zwei übergreifende Ziele: die Reduzierung des Verbrauchs von Primärrohstoffen und die Schliessung von Stoffkreisläufen.

Die Kreislaufwirtschaft soll ein Treiber für Umweltschutz und Klimaschutz werden, mit dem Ziel, das Bruttoinlandprodukt und den Rohstoffverbrauch zu entkoppeln. Schlüsselbereiche, die von der nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie angegangen werden sollen, umfassen Kunststoffe, öffentliche Beschaffung, Kreislaufproduktion, Metalle, Fahrzeuge und Batterien, Elektronik, Informations- und Kommunikationstechnik, Gebäude und Textilien.

In Bezug auf die Messung und Überwachung ist der derzeitige Leitindikator die Gesamtrohstoffproduktivität. Da dieser Indikator jedoch unzureichend ist, um die Kreislauffähigkeit zu messen, untersucht Deutschland derzeit geeignetere Indikatoren wie die Kreislaufmaterialnutzungsrate.

Kreislaufwirtschaft – wie gut ist die Schweiz?

Xaver Edelmann, SATW und WRF

Die Umweltziele einer Kreislaufwirtschaft umfassen grundsätzlich die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs, der Emissionen und der Materialabfälle sowie die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien und der Produktlebensdauer. Bei der Formulierung von Indikatoren ist es wichtig, dass Methoden und Daten verfügbar sind und dass sie sowohl für alle Materialflüsse als auch speziell für bestimmte Materialien wie beispielsweise Baumaterialien erfasst werden können.

Es gibt eine Vielzahl von Indikatoren, die im Zusammenhang mit verschiedenen Handlungsfeldern zur Verbesserung der Kreislaufwirtschaft und den damit verbundenen Auswirkungen vorgeschlagen werden, wie zum Beispiel der inländische Rohstoffverbrauch (RMC) für die Reduktion des Materialverbrauchs, die Produktlebensdauer für die Erweiterung der Nutzung von Gütern, die Kreislaufmaterialnutzungsrate als Mass für die Umsetzung geschlossener Kreisläufe oder die Reduzierung des Biodiversitätsverlust als Indikator für geringere Umweltauswirkungen im Allgemeinen.

Die ISO 59020-Norm «Kreislaufwirtschaft (CE): Messung und Bewertung der Kreislauffähigkeit», welche aktuell entwickelt wird, soll Richtlinien und Prozesse zur Messung und Bewertung der Kreislauffähigkeit vorschlagen. Schließlich sollten Indikatoren einfach anzuwenden, international akzeptiert und das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Regulierungsbehörden sein, um die Glaubwürdigkeit zu gewährleisten und das Greenwashing zu vermeiden.

Erkenntnisse und Empfehlungen für eine zirkuläre Zukunft

  • Förderung des Verständnisses für Kreislauffähigkeit: Trotz der wachsenden Akzeptanz von Kreislaufprinzipien fehlt ein gemeinsames Verständnis für die Kreislauffähigkeit. Es ist wichtig, klare und glaubwürdige Indikatoren zu formulieren und zu vereinfachen, um die Kommunikation mit Unternehmen und der Gesellschaft zu erleichtern.
  • Integration der nationalen Umweltziele in sektorspezifische Massnahmen: Nationale Umweltziele sollten in Empfehlungen und Massnahmen für bestimmte Sektoren wie das Bauwesen integriert werden. Es ist wichtig, das Wissen über die Auswirkungen von Kreislaufwirtschafts-Regulierungen zu erweitern.
  • Förderung eines koordinierten internationalen Ansatzes: Ein koordinierter Ansatz auf internationaler Ebene ist erforderlich, um die aktuellen Handelsbeziehungen und die Dynamik der Wertschöpfungsketten zu berücksichtigen. Forschung und Zusammenarbeit im Bereich internationaler Handelsaspekte des Übergangs zur Kreislaufwirtschaft sollten gefördert werden.
  • Koppelung von Kreislauffähigkeit mit Suffizienz: Kreislauffähigkeit sollte als Instrument zur Erreichung einer nachhaltigen Ressourcennutzung gesehen werden. Aus diesem Grund muss Kreislauffähigkeit mit Suffizienzmassnahmen gekoppelt werden, um sicherzustellen, dass der Übergang zur Kreislaufwirtschaft zu einer absoluten Verringerung des Ressourcenverbrauchs führt. Massnahmen zur Reparatur, Wiederaufarbeitung und Verlängerung der Lebensdauer können eine wichtige Rolle bei der Reduzierung des Verbrauchs spielen.
  • Beteiligung der Industrie an der Transition zur Kreislaufwirtschaft: Die Industrie spielt eine Schlüsselrolle bei der Transition zur Kreislaufwirtschaft durch innovative Materialien, Produkte und Geschäftsmodelle. Es ist wichtig, geeignete Lösungen hervorzuheben und zu fördern sowie sich auf einen Satz von Indikatoren zur Messung der Umwelt- und Wirtschaftsvorteile der Kreislauffähigkeit zu einigen.
  • Sofortige Umsetzung von Massnahmen und Verbesserungen: Die Implementierung von Massnahmen, die den höchsten Nutzen in Bezug auf reduzierte Umweltauswirkungen bei den niedrigsten Kosten erzielen können, ist jetzt dringend notwendig. Es ist zudem wichtig, dass diese Massnahmen nicht nur auf Subventionen angewiesen sind.

Podiumsteilnehmende des Workshops:

  • Xaver Edelmann, SATW und WRF (Workshop-Leiter)
  • Peder Jensen, Europäische Umweltagentur EEA, Experte Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz
  • Niklas Nierhoff, Bundesamt für Umwelt Schweiz BAFU, wissenschaftlicher Mitarbeiter
  • Brigitte Karigl, Umweltbundesamt, Österreich, Fachliche Leitung Kreislaufwirtschaft
  • Timon Leopold, Bundesministerium für Umwelt Deutschland, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz BMUV, stellvertretender Bereichsleiter
  • Emanuele Di Francesco, WRF (Moderator)

Das World Resources Forum (WRF) ist eine internationale Non-Profit-Organisation, die gezielte Aktionen zur Förderung von Nachhaltigkeit und Fairness bei der weltweiten Nutzung natürlicher Ressourcen mobilisiert. Die WRF 2023 Konferenz (WRF’23) hat im September in Genf unter dem Titel «Rethinking Value – Resources For Planetary Wellbeing» stattgefunden und Vertreterinnen und Vertreter von Wissenschaft, öffentlichem Sektor, internationalen Organisationen und dem Privatsektor zusammengebracht. Dabei lag der Fokus vor allem auf den Themen Suffizienz, nachhaltige Wertschöpfungsketten und Digitalisierung, wobei das Thema Kreislaufwirtschaft in diversen interaktiven Workshops und wissenschaftlichen Präsentationen im Zentrum stand.