Die SATW betreibt im Auftrag des Bundes Früherkennung von disruptiven Technologien, im Fachjargon Foresight genannt. Stefan Scheidegger, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der SATW, führte die Teilnehmenden in den Technology Outlook ein, den im Zweijahrestakt erscheinenden Früherkennungsbericht. Foresight erklärte er mit einem Restaurantbesuch und erkundigte sich bei den Teilnehmenden nach dem Menu für das bevorstehende Abendessen. Eine scheinbar einfache Frage, deren Antwort aber von vielen Faktoren abhängt. Genauso verhält es sich mit Foresight: Es ist ein iterativer Prozess vom Erarbeiten eines Zielbilds über Erfassung und Analyse von Informationsquellen bis hin zum Setzen von Impulsen.
Bleibt man beim eingangs erwähnten Vergleich, ist die SATW ein mögliches Restaurant und der Technology Outlook dessen Speisekarte. Die Quadrantendarstellung ist der Hauptgang: Sie zeigt die Bedeutung einzelner Technologien für den Denk- und Werkplatz Schweiz. Als Dessert bieten sich Showcases an, Leuchtturmprojekte aus der Schweizer Industrie zu den Themen künstliche Intelligenz, additive Fertigung und Lebenszyklus von Batterien. Firmen erhalten so die Möglichkeit, ihr eigenes Menu zusammenzustellen.
Stéphane Follonier, Leiter F&E bei Ivoclar, zeigte auf, wie es dem 100-jährigen Familienunternehmen mit Sitz in Liechtenstein gelingt, dank firmeninterner Innovation im Markt der Dentalprodukte eine führende Rolle zu spielen. Die Firmenstrategie wird jährlich mit dem Technologie-Push aus dem Technologieradar, dem Marktpotenzial der ausgewählten Technologien und den Kundenbedürfnissen (Market Pull) abgeglichen. Daraus entsteht eine Innovation Roadmap, die den Lebenszyklus von Produkten von der Technologie über die Planung, Entwicklung und Einführung bis zur Pflege und Auslaufphase abbildet.
Im Prozess zur Erstellung von solchen Roadmaps spielt Foresight eine zentrale Rolle. Die im Foresight-Prozess identifizierten Technologien durchwandern die Innovation Roadmap und führen im Idealfall zu neuen Produkten oder öffnen neue Geschäftsfelder. Stéphane Follonier erläuterte das Vorgehen am Beispiel von Point-of-Care-Testing POCT, einer für die Zahnmedizin relevanten Technologie aus dem Technology Outlook. Der Technologie-Push, hier verstärkt durch Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz, steht dem Market Pull in Form von Telemedizin und steigenden Gesundheitskosten gegenüber. Der Einsatz der Technologie könnte für Ivoclar zum neuen Innovationsfeld «Gesundheitsüberwachung im Mund» führen. Da die Entwicklung allerdings noch kritische Lücken aufweist, wurde POCT von Ivoclar in den Status «unter Beobachtung» gesetzt.
Lukas Bürgi, Leiter F&E Sensorinnovation bei Sensirion, stellte den mehrstufigen firmeninternen Innovationsprozess vor. Bei der Firma, einem Spin-off der ETH Zürich, liegt Innovation in der DNA: Rund 20 Prozent des Umsatzes werden in F&E investiert – ein bemerkenswert hoher Betrag. Sensirion unterscheidet zwischen der Weiterentwicklung firmenbekannter Technologien für bekannte Märkte und der Innovation in neuen Technologiefeldern oder neuen Märkten.
Für letztere wird vor den bewährten Entwicklungsprozess ein Vorentwicklungsprozess gestellt, welcher von der Produktidee über Literatursuche und den Pretotypen zum Prototypen führt. Von Beginn weg arbeiten ein:e Ingenieur:in und ein:e Unternehmensentwickler:in eng zusammen. Alle acht Wochen findet eine Überprüfung in Bezug auf die technische Machbarkeit und auf die Marktsituation statt, bei der über die weitere Durchführung der Projektidee entschieden wird. Die Produktideen entstehen aus Kundenbedürfnissen, stammen aus der Unternehmensentwicklung, welche sich auf Markt- und Trendanalysen stützt, oder werden beispielsweise durch Mitarbeitende auf der jährlichen internen Innovationskonferenz vorgestellt.
In der anschliessenden Fragerunde interessierte die Teilnehmenden, wie ein Unternehmen eine Kultur schaffen kann, die Innovation fördert. Eine innovationsfreundliche Kultur schafft sich nicht von selbst und muss vom Top-Management aktiv gefördert werden. Es braucht die kleinen wie die grossen Schritte. Ein Beispiel für letztere sind solche Innovationskonferenzen. Das Fazit: Foresight und Innovation sind nicht einfach zu verbinden. Es braucht eine klare Strategie, Know-how und Erfahrung in der Adaptation von Technologieradars an die eigenen Bedürfnisse sowie eine innovationsfreundliche Firmenkultur, die über alle Hierarchiestufen gelebt wird.
Raphael Markstaller, Leiter des Technologietransfers des FHNW, bedankte sich bei allen Teilnehmenden und wies darauf hin, dass die FHNW einen einfachen Zugang zu Know-how verschiedener Institute bietet, um Firmen bei ihren Innovationsvorhaben zu unterstützen.
Claudia Schärer