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In Zusammenarbeit mit ihrer Themenplattform Künstliche Intelligenz publizierte die SATW 2019 ihre Empfehlungen für die KI-Strategie der Schweiz.
Die Kernpunkte sind nach wie vor gültig:
Künstliche Intelligenz (KI) hat längst in unserem Alltag Einzug gehalten. Sie ist Teil von Applikationen in unseren Smartphones oder solchen, die über Webseiten zugänglich sind, wie den Echtzeit-Vorhersagen von Verkehrsbehinderungen, mächtige online-Übersetzungsdienste oder jüngst die öffentlich zugängliche Chatbots, die Auskunft geben und Texte vorschlagen. Grosse Technologiekonzerne stellen ihre KI-Lösungen damit nicht nur für die eigenen Dienstleistungen und Produkte oder industrielle Anwendungen zur Verfügung, sondern vermehrt auch für die Öffentlichkeit.
Laut Anton Aschwanden, Head Government Affairs and Public Policy bei Google Schweiz, kann KI wesentlich zur Erfüllung der 17 Nachhaltigkeitsziele der UNO und zur Minderung weiterer grosser Herausforderungen der Menschheit beitragen. Gleichzeitig gehen mit dem zunehmenden Einsatz von KI auch riesige Herausforderungen einher. Ein verantwortungsvoller Umgang mit der Technologie ist daher zentral und unabdingbar.
Dazu gehört auch, dass nutzenstiftende, sichere und vertrauenswürdige Anwendungen ermöglicht und nicht unnötig durch regulatorische Bestimmungen gehemmt werden sollten. Laut Aschwanden braucht KI klare Rahmenbedingungen, die einen breiten und sinnvollen Einsatz der Technik ermöglichen. Ganz gemäss der Aussage von Googles CEO Sundar Pichai: «KI is too important not to regulate well».
Die Schweiz hat mit ihren weltweit angesehenen Forschungsinstitutionen, hier ansässigen innovativen Unternehmen und ihrer liberalen Gesetzgebung beste Voraussetzungen, um eine positive Entwicklung von KI voranzutreiben. Die Schweiz hat also viele Stärken. Ihre föderalistischen Strukturen erschweren es aber oft, mit dem rasanten Tempo der Entwicklungen Schritt zu halten. Unser Land sollte daher mehr Enthusiasmus und Entschlossenheit an den Tag legen, denn die Kontrolle und der Zugang zu dieser Technologie werden sich auch auf ihre Souveränität auswirken, so Aschwanden weiter.
Daten spielen im Zusammenhang mit KI eine zentrale Rolle, sie haben grossen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wert. Doch dafür müssen sie qualitativ hochwertig und vor allem auch zugänglich sein. Die kürzlich angenommene Motion für ein Rahmengesetz für die Sekundärnutzung von Daten unterstreicht: Für die Wahrung der Versorgungssicherheit braucht es einen besseren Zugang zu strategisch wichtigen Daten. Deren Umfang und Vielfalt bedarf oftmals der KI, um überhaupt nutzstiftend verarbeitet werden zu können.
«Die KI-Revolution wird uns heute bewusst, doch sie hat bereits vor Jahren angefangen» führte Behshad Behzadi, Vice President of Engineering von Google Schweiz, im anschliessenden Referat aus. Gemäss Behzadi kommt nun die Revolution der generativen KI hinzu, ermöglicht durch z. B. Large Language Models (LLMs) wie ChatGPT. Dank LLMs lässt sich kaum mehr zwischen künstlicher und menschlicher Sprache unterscheiden. Hinzu kommt der zeitliche Faktor: Sie lässt sich in Sekundenschnelle und gleichzeitig in unterschiedlichen Sprachen erzeugen.
Solche Lösungen stellen Google und viele andere Anbieter sowohl Business Kunden als auch privaten Nutzer:innen über die Cloud zur Verfügung. Sicherheit, Privatsphäre, Erklärbarkeit und Kosten sind dabei zentrale Faktoren. Viele Schnittstellen wie die Vertex AI API, die PaLM API oder das generative Sprachmodell Chirp sind frei zugänglich. Wichtig für Google ist dabei immer der verantwortungsvolle Einsatz von KI entsprechend den Google AI Principles.
Christoph Aeschlimann, CEO Swisscom und SATW-Mitglied, ging anschliessend der Frage nach, wie sich die digitale Souveränität der Schweiz erhöhen lässt. Gemäss Aeschlimann sollten sich die Schweizer Universitäten auf essenzielle Probleme der Menschheit fokussieren. Z.B. erarbeitet Ecorobotix eine Schweizer Lösung für ein globales Problem: Dank pflanzengenauem Besprühen scheint eine pestizidfreie Landwirtschaft greifbar nahe. Bringt die Schweiz in solch relevanten Bereichen Firmen als Weltmarktführer hervor, kann sie unabhängiger werden. Denn solche grossen Player nehmen Platz an den global wichtigen Tischen und können sich einbringen, wie das z. B. Roche und Novartis im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie taten.
Die Schweiz hat ihre Stärken zweifellos in etablierten Industrien wie Pharmazie oder Banking. In wichtigen Zukunftsbereichen hat sie es bislang jedoch verpasst, globale Marktführer hervorzubringen. Das Problem sei, dass es zu wenig Risikokapital gebe, welches in einem frühen Stadium für das Wachstum junger Unternehmen bereitgestellt werde.
Es brauche mindestens CHF 11 Mia. an Venture Capital, sagte Aeschlimann, um die bestehende Lücke zu schliessen. Sonst wanderten Jungunternehmen ins Ausland ab. Vor allem Start-Ups in der ausschlaggebenden, zweiten Investitionsrunde müssten in der Schweiz bleiben. Denn global gesehen gewinnen am Ende Firmen, die schneller als andere skalieren können. Sie generieren Jobs und halten Talente. Entsprechende Investitionen könnten die Schweiz also ein gutes Stück attraktiver und souveräner machen.
In der anschliessenden Podiumsdiskussion tauschten sich Swisscom CEO Christoph Aeschlimann, Nationalrat Gerhard Andrey (Mitgründer und Partner von Liip), Nationalrätin Judith Bellaiche (Geschäftsführerin SWICO) und Alexander Ilic (Direktor des ETH AI Centers) aus.
Ihr Tenor: Unsere Gesellschaft entwickelt sich nicht so schnell, wie die KI-Technologien es tun. Euphorie hinsichtlich der neuen Möglichkeiten sei zwar nicht fehl am Platz. Aber es brauche auch das kritische Hinterfragen, wie sich die Entwicklung auf unser Leben auswirkt. Negative Begleiterscheinungen wie z.B. Deepfakes könnten zu einer Abwehrhaltung in der Bevölkerung führen. Das ist verständlich: Mittels KI manipulieren und verfremden dabei Betrüger:innen Fotos, Videos oder Audiodateien so täuschend echt, dass sie Verwirrung stiften oder Missbrauch erleichtern.
Die Schweiz hat nach Ansicht der Podiumsteilnehmer:innen insgesamt gute Chancen, bei KI eine aktivere Rolle zu übernehmen. Schon heute brauche es KI, um vielerlei Systeme zu betreiben und Prozesse zu bewältigen. Die Schweiz ziehe weltweit Top-Talente an, doch es sei teilweise schwierig, diese Fachkräfte zu halten. Indem man die Möglichkeiten für Talente schaffe, sich als Gründer:innen zu etablieren, verhelfe man den in der Schweiz tätigen Vordenker:innen einen effektiveren Übergang zwischen Forschung und Ökonomisierung.
Angesichts der Abhängigkeiten von ausländischen Fachkräften, dem Zugang zu internationalen Märkten und Hardware sei eine absolute Souveränität der Schweiz weder möglich noch sinnvoll, so das einhellige Credo des Diskussions-Panels. Viel wichtiger sei Resilienz durch Vernetzung: Die Schweiz müsse sich als guter Partner positionieren und sich auf die eigenen Stärken besinnen: Z.B. ihre neutrale Position in der Entwicklung verlässlicher, vertrauenswürdiger KI noch stärker ausspielen.
Dieses Motto von Google hinsichtlich der Weiterentwicklung von KI – mutig, verantwortungsvoll, gemeinsam - lässt sich auch auf die Schweiz übertragen: Sie sollte jetzt die Voraussetzungen schaffen, um einen verantwortungsvollen Einsatz von KI zu ermöglichen und nutzenstiftende KI-Anwendungen zu fördern. Denn Probleme wie die Klimaveränderung lassen sich nicht ohne KI bewältigen. Dafür braucht es partizipative Ansätze und einen ständigen Dialog. Die SATW kann hierbei mit ihrem Netzwerk einen wertvollen Beitrag leisten.
Manuel Kugler
Caspar Türler