Obwohl Ende 2018 gut 80 Prozent aller Angestellten – Tendenz steigend – in der Schweiz im Dienstleistungssektor tätig war, fokussiert die Studie der SATW auf den industriellen Sekundärsektor, genauer auf die produzierende Industrie. Warum? Mit 16 Prozent der Angestellten erwirtschaftete dieser Sektor 2018 25 Prozent der Gesamtwertschöpfung und weist im Schnitt die höchste Pro-Kopf-Wertschöpfung aller Sektoren auf. Die Industrie leistet also einen wichtigen Beitrag zum Wohlstand einer Nation, aber auch einer Region.
Betrachtet über alle Wirtschaftsklassen ist Schaffhausen ein Kanton der KMU mit einem stark ausgeprägten Sekundärsektor und somit eher ein Abbild der Ostschweiz als des Nachbarkantons Zürich oder des Schweizer Mittels. Der Fokus auf die produzierende Industrie, also auf den Sekundärsektor ohne Tief- und Hochbau, offenbart die Unterschiede zur Ostschweiz: In Schaffhausen stellen die Kunststoff- und die chemisch-pharmazeutische Industrie je 20 Prozent aller Arbeitsplätze; ein Wert, der für die Kunststoffindustrie in der Schweiz unerreicht ist und der für die chemisch-pharmazeutische Industrie nur vom Kanton Basel-Stadt übertroffen wird. Auch wenn beide Industrieklassen bei ausgewählten Innovationsindikatoren denselben Negativtrend zeigen wie die anderen Klassen, können sie sich im positiven Quadranten des «Aufwand-Ertrag-Diagramms» positionieren – ganz im Gegensatz zu den meisten anderen Industrieklassen.
Die Deindustrialisierung hat Schaffhausen überdurchschnittlich stark getroffen: Zwischen 2011 und 2018 gingen 5.5 Prozent aller Arbeitsplätze im Sekundärsektor verloren – also jede 20. Stelle. Das ist ein Wert, der deutlich über dem Schweizer Mittel liegt. Gleichzeitig verlief die Verlagerung der Arbeitsplätze in den Dienstleistungssektor in Schaffhausen nicht so ausgeprägt wie in den Vergleichsregionen. Eine Aufschlüsselung der Daten zeigt einerseits, dass Schaffhausen weit überdurchschnittlich viele Arbeitsplätze in der Hightech- und Lowtech-Industrie verloren hat, in der chemisch-pharmazeutischen Industrie die Beschäftigtenzahlen aber steigern konnte. Andererseits erfolgte ein Grossteil des Stellenabbaus bei KMU: Folglich traf die Deindustrialisierung die KMU in der High- und Lowtech-Industrie vergleichsweise stark.
Die Studie formuliert zwei umfassende Anwendungscluster, die auf den Stärken der Schaffhauser Industrie und auf den Besonderheiten des Standorts aufbauen. Ein Cluster stellt Nahrungsmittel und Gesundheit ins Zentrum und skizziert, wie individualisierte Fleischersatzprodukte «Made in Schaffhausen» Wirklichkeit werden können – sozusagen vom Feld auf den Teller. Das zweite Cluster verfolgt die Vision eines Ökosystems für moderne Kunststoffe. Dank innovativer Lösungen bei Oberflächen, in der Medizintechnik und bei Lebensmittelverpackungen, aber auch dank eines eher spielerischen Begleitprojekts in der Kreislaufwirtschaft kann Schaffhausen in der Hightech-Kunststoffindustrie eine Pionierrolle übernehmen.
Zwei kleinere Pilotprojekte thematisieren innovative Mobilitätskonzepte und Aspekte der Produkterückverfolgbarkeit in der Uhren- und Pharmaindustrie und erlauben Schaffhausen, sich in Nischenanwendungen als innovativer Akteur zu positionieren.
Die Cluster und Pilotprojekte bedingen eine Zusammenarbeit verschiedener, in Schaffhausen stark vertretener Industrieklassen, leben von der Zusammenarbeit von Unternehmen jeglicher Grösse und können neu niedergelassenen Firmen eine Heimat mit Langzeitvision bieten.
Claudia Schärer, Stefan Scheidegger
Beatrice Huber, Esther Lombardini