Elliott Ash, Assistenzprofessor für Recht, Wirtschaft und Datenwissenschaft am Center for Law & Economics der ETH Zürich, eröffnete zusammen mit Ayisha Piotti, Direktorin für AI Policy am Zentrum für Recht und Wirtschaft der ETH Zürich und Managing Partnerin bei RegHorizon, die vierte Ausgabe des ETH AI Policy Summit. Zwei Tage lang empfingen sie über 1000 Teilnehmende aus über 109 Ländern sowie 300 KI-Exptert:innen vor Ort im Audimax an der ETH Zürich und online.
Die 52 Referent:innen aus unterschiedlichsten Regionen der Welt, aus Politik, Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft und akademischen Kreisen machten einen multidisziplinären Austausch möglich.
Gabriela Ramos, stellvertretende Generaldirektorin bei der UNESCO, sprach über die Herausforderungen im Umgang mit KI-Systemen. Obwohl sie selbst aus der Politik kommt, war es ihr wichtig, dass die Diskussion sich nicht nur um Gesetze drehen sollte. Sie warnte davor, Innovation und kreative Prozesse durch übertriebene gesetzliche Regulierung zu behindern. Vielmehr sollte mithilfe von Leistungsanreizen, Investitionen, Förder- und anderen Mitteln sichergestellt werden, dass KI uns nicht schadet, sondern nützt.
Michael Hengartner, Präsident des ETH-Rates, sprach über die Bedeutung von KI für die Schweiz und stellte klar, dass Künstliche Intelligenz alle Entscheidungsträger:innen betrifft.
Nicht erst seit ChatGPT – und anderen Chatbots, die grosse Sprachmodelle verwenden – werden aus akademischen Kreisen und vonseiten der Regierungen, aber auch aus der Industrie, zunehmend Forderungen laut, KI-Anwendungen müssten umfassender reguliert werden.
Roger Dubach, Botschafter und Vizedirektor der Direktion für Völkerrecht des EDA, argumentierte, dass dank einer Regulierung der Künstlichen Intelligenz unter anderem KI-Anwendungen mit unserem Wertesystem in Einklang gebracht, Fortschritte in Richtung technologische Leadership erzielt, Interaktionen zwischen Menschen und Maschinen gelenkt und neue Applikationen ermöglicht werden können.
Ein Problem bleibt jedoch nach wie vor ungelöst: die Definition von Künstlicher Intelligenz. Ein möglicher Ansatz, mit diesem Problem umzugehen, besteht darin, eine konkrete Definition schlicht zu vermeiden.
Ein weiterer Ansatz – den die EU für den Vorschlag eines Gesetzes über Künstliche Intelligenz gewählt hat – besteht darin, mit einer unscharfen Definition zu arbeiten. Also mit einer rein juristischen Richtlinie, die dann durch die Jurisprudenz konkretisiert wird.
Der dritte Ansatz fordert hingegen eine genaue Definition. ChatGPT hat gezeigt, dass letzterer der erstrebenswerteste ist: Vor der Lancierung des Chatbots wurde der generativen KI sowie den grossen Sprachmodellen in Bezug auf Regulierungen nämlich kaum Aufmerksamkeit geschenkt.
Warum die Debatte sich jetzt aufdrängt, wurde von Paul Nemitz, Chefberater der Europäischen Kommission, erläutert: Es prallen zwei unterschiedliche Welten aufeinander – Technologie und Recht. Ingenieur:innen schreiben Codes für Computer, d. h. für dumme Maschinen, die nichts verstehen, sondern ganz einfach klare Befehle befolgen. Für sie müssen Definitionen sehr genau formuliert sein. Gesetze hingegen werden nicht für Maschinen formuliert, sondern für Menschen, die selber denken. Für eine sinnvolle Regulierung in Zusammenhang mit der Anwendung von KI müssen Ingenieurinnen und Jurist:innen sich also miteinander austauschen und einander besser verstehen.
Gemäss Nemitz ist Künstliche Intelligenz so wichtig, dass sie ein eigenes Gesetz benötigt – «verbindliches Recht», im edelsten Sinn der Demokratie.
Damit so ein Gesetz ausgearbeitet werden kann, müssen zwingend Brücken geschlagen werden zwischen der Demokratie und der Technologiebranche. Immer wieder war dies Thema auf der Hauptkonferenz. Zwar sind die Brücken noch nicht gefestigt, die Europäische Kommission in Brüssel aber ist daran, Technologiefachleute vermehrt in die demokratischen Diskussionen mit einzubeziehen.
Jessica Montgomery, Executive Director beim Accelerate Programme for Scientific Discovery an der University of Cambridge, äusserte sich zu den Entwicklungen in Grossbritannien und verwies auf den AI Safety Summit, der zwei Tage zuvor im Vereinigten Königreich stattgefunden hatte.
Der Fokus dort lag sehr stark auf dem, was Künstliche Intelligenz sollte und was sie nicht sollte. Bis vor Kurzem war man der Auffassung gewesen, dass KI da eingesetzt werden sollte, wo sie ihren Job besser macht als ein Mensch – eben nicht in Kunst oder Lyrik. Mit der generativen KI aber kam es zu einem Wendepunkt. Es braucht nun Brücken, damit die Gräben zwischen Wissenschaft und Politik überwunden und die Bedenken der Allgemeinheit bezüglich KI-Anwendungen aufgelöst werden können.
Einen etwas holistischeren Ansatz zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz vertrat Hiroki Habuka vom Wadhwani Center for AI and Advanced Technologies in Japan. Ihm gemäss verfolge man dort das Ziel, das grosse Ganze – «the big picture» – von KI zu verstehen, insbesondere auch das Risiko ihrer Nicht-Anwendung. Ein Hauptziel Japans sei es, alle Steuerungssysteme in agile Multi-Stakeholder-Prozesse umzuwandeln.
Dubach erinnerte daran, dass im Jahre 2019 eine interdepartementale Arbeitsgruppe der Schweizer Regierung zum Schluss gekommen war, dass der bereits vorhandene Rechtsrahmen immer noch standhalte und lediglich die 17 Sektoren, die analysiert worden waren, Aufmerksamkeit bedürften.
Heute tendiert die internationale Diskussion in Richtung unterschiedlicher horizontaler Reglementierungen in unterschiedlichen Teilen der Erde. Für ein Land wie die Schweiz, die es gleich mit mehreren internationalen Gerichtsbarkeiten zu tun hat, ist das eine riesige Herausforderung.
Unter anderem liegt darin der Grund, warum die Schweiz sich in hohem Masse im Ausschuss für Künstliche Intelligenz (CAI) des Europarats engagiert. Im CAI sind nicht nur europäische Staaten vertreten, sondern auch Länder wie die USA, Kanada oder Japan. Ziel ist es, mit einem Übereinkommen auf hoher Ebene ein gemeinsames Verständnis festzulegen. Ein erster gemeinsamer Gesetzentwurf ist dieses Jahr publiziert worden.