Frau Conde, Sie und Ihr Unternehmen forschen am Essen der Zukunft. Was werden wir in zehn Jahren mittags auf dem Teller haben?
Idealerweise haben wir eine gute Portion Gemüse auf dem Teller sowie Vollkornreis oder Vollkornpasta. Das wird wohl bleiben. Möglicherweise wird aber Stück kultiviertes Fleisch statt ein Steak das Protein liefern - Fleisch, das im Labor durch Fermentierung kultiviert wird. Es wird intensiv daran geforscht und es kann bereits in den nächsten fünf bis zehn Jahren Marktreife erlangen.
Dann werden wir also auch im Jahr 2032 noch den dreigeteilten Teller mit Gemüse, Kohlenhydrate und Protein vor uns haben.
Häufig schon, denn diese Kombination ist physiologisch sehr sinnvoll. Nur die Proteine werden vermehrt Pflanzen statt Tiere liefern. Gerade in der westlichen Welt brauchen wir aber nicht mehr Proteine - viele Konsument:innen essen schon heute zu viel davon.
Ein Steak besteht in Zukunft wohl öfter aus Algen, eine Wurst aus Tofu. Weshalb kann Fleisch nicht Fleisch bleiben?
Wenn wir unseren Fleisch- und Zuckerkonsum halbieren und stattdessen doppelt so viele Hülsenfrüchte und Nüsse essen, dann können wir alleine durch unserer Ernährung zwei Krisen miteinander entschärfen: Wir können den Klimawandel abbremsen und die Zerstörung der Natur aufhalten; 25 Prozent der Treibhausgase weltweit werden durch die unsere Ernährung verursacht und 60 Prozent der Flächen brauchen wir alleine für Tierfutter. Wir werden aber auch direkt von dieser gesunden Ernährung profitieren. Um auf das Fleisch zurückzukommen: In Zukunft werden wir beides haben – das klassische Fleisch und jenes aus Algen, Hefe oder Bakterien.
Und dass wird schmecken?
Die Produkte daraus schon. Aus Mikroalgen zum Beispiel werden wir Proteine, Farbstoffe oder Öle gewinnen und zu Nahrungsmitteln verarbeiten. Den Algengeschmack wird man nicht mehr wahrnehmen.
Viele Leute wollen nicht auf ein Steak oder auf eine Wurst verzichten. Wie bringen Sie sie dazu, dennoch einen Veggie-Burger zu essen?
Das wird uns gelingen, wenn der Veggie-Burger schmeckt. Wenn wir wirklich etwas verändern und unseren ökologischen Fussabdruck verkleinern wollen, dann müssen die Alternativen zu tierischen Proteinen schmecken, gesund und erschwinglich sein. Wichtig ist auch, dass wir wissen, welche Folgen unserer Ernährung hat – ein Burger aus Erbsen etwa hat einen um 20 Prozent tieferen Fussabdruck als einer aus Rindfleisch. Gerade in den Städten bekommt man alles, was man will und dieses Wissen kann dazu beitragen, dass wir unsere Gewohnheiten ändern.
Heute werden aus pflanzlichen Proteinen nicht nur Burgers, sondern auch Würste, Geschnetzeltes oder Nuggets nachgebildet. Weshalb erfindet man nicht etwas Neues?
Manche Konsument:innen essen ein Linsencurry anstelle von Fleisch, andere wollen nicht auf einen Burger verzichten. Es gibt alle Optionen. Man muss bei den Fleischalternativen allerdings lernen, sie richtig zuzubereiten. Aus pflanzenbasiertem Poulet etwa kann man wunderbare Gerichte kochen, aber man muss wissen, dass man sie anders würzen und kürzer kochen soll. Sie werden deshalb erst in Restaurants oder Kantinen angeboten, wo die Köch:innen geschult werden.
Bis anhin galt, dass gesunde Nahrungsmittel möglichst unverarbeitet, also möglichst nah am natürlichen Zustand belassen werden sollen. Ist die Nahrung aus dem Labor gleich gesund wie jene vom Acker?
Das galt lange, aber heute kann man das nicht mehr so pauschal sagen.
Wollen Konsument:innen Nahrung aus dem Labor oder aus Biotanks überhaupt essen?
Meine persönliche Meinung ist, dass sich auch unsere Haltung gegenüber Nahrungsmitteln entwickeln wird. Wir werden in absehbarer Zeit weltweit auf einer kleineren Fläche Nahrungsmittel für mehr Menschen anbauen und uns mit den Folgen auseinandersetzen müssen. Wenn die Konsument:innen die Zusammenhänge sehen, dann werden sie sich auch mit kultiviertem Fleisch auseinandersetzen. Für diese Produkte müssen wir mit einer glaubwürdigen Kommunikation das Vertrauen der Konsumenten gewinnen.
Welches pflanzliche Protein hat das grösste Potenzial?
Weltweit gesehen ist Soja die bedeutendste pflanzliche Proteinlieferantin. Erbsen und andere Hülsenfrüchte werden aber immer wichtiger. Weil Rohstoffe ein knappes Gut sind, gewinnen auch die Nebenströme an Bedeutung - Nebenprodukte, die bei der Nahrungsmittelherstellung anfallen, aber meist nicht verarbeitet werden. Biertreber zum Beispiel verfügt über sehr viel Protein und könnte Veggie-Burgern oder Snacks zugefügt werden.
Was fordert Sie bei der Verarbeitung von pflanzlichen Proteinen besonders heraus?
Wir bei Bühler haben uns ein sehr ambitioniertes Ziel gesetzt: Wir wollen erreichen, dass innerhalb der Wertschöpfungs- und Verarbeitungskette 50 Prozent weniger Energie und Wasser verbraucht werden und 50 Prozent weniger Nahrungsmittelverluste anfallen. Das ist ein sehr ambitioniertes Ziel, das wir nur mit Partner:innen erreichen können. Anders als früher arbeiten wir deshalb der ganzen Verarbeitungskette entlang mit Partner:innen und entwickeln zusammen mit Konsument:innen Produkte. Das macht die Arbeit anspruchsvoller und komplexer.
Welche Bedeutung haben Pflanzenproteinen für Bühler? Sind sie nur eine Nische oder können diese zu einem bedeutenden Geschäftszweig werden?
Wir haben schon von zehn Jahren begonnen, uns mit pflanzlichen Proteinen und mit Tierfutter aus Insekten auseinanderzusetzen. Grosses Potenzial sehe ich auch in den Mikroorganismen wie Algen oder Hefe zur Proteingewinnung. Das wird ein bedeutender Geschäftszweig für uns werden. Bühler verarbeitet die Produkte aber nicht selber – wir forschen intensiv und verfügen entsprechend über ein grosses Wissen über Technologien und Verarbeitungsprozesse. Das bieten wir unseren Partnern an.
Welches ist Ihr liebstes Produkt aus Pflanzenproteinen, das sie immer im Kühlschrank haben?
Ich habe es nicht im Kühlschrank, sondern im Vorratsschrank – es muss also nicht einmal gekühlt werden. Das sind rote Linsen. Man kann wunderbare Currys und milde Suppen daraus zubereiten und man braucht sie auch nicht lange zu kochen.