Am 14. September 2017 lud die SATW zum «TecToday: Big Data – Big Business?». Der Event fand im Rahmen des Digital Festivals statt.
Beim Schlagwort «Big Data» stellen sich vor allem viele Fragen. Was ist heute schon möglich? Was kommt auf uns zu? Welche Vorteile bringt Big Data für Kundinnen und Kunden? Welche für Unternehmen? Worauf sollten wir im Umgang mit unseren Daten achten? Dass diese Fragen interessieren, zeigten die über 120 Personen, die am 14. September abends für den «SATW TecToday: Big Data – Big Business?» ins Kaufleuten pilgerten und nicht nur aufmerksam lauschten, sondern auch viele Fragen stellten.
SATW-Präsident Willy Gehrer begrüsste die Anwesenden und wies darauf hin, dass es ein Auftrag der SATW sei, ethische Aspekte von technologischen Entwicklungen anzuschauen. Beim Thema Big Data gehörte die SATW zu den ersten Organisationen in der Schweiz, die sich damit befassten. Im Februar 2017 wurde eine Studie über «Ethische Herausforderung für Unternehmen im Umgang mit Big Data» veröffentlicht. In der Zwischenzeit ist auch das Nationale Forschungsprogramm zu Big Data angelaufen. Die Co-Autoren der SATW-Studie sind dort auch dabei.
Prof. Dirk Helbling, Professor für Computational Social Science an der ETH Zürich, lieferte mit seinem Referat einen Impuls, der es in sich hatte. Sandro Brotz, der Moderator des Abends, untertrieb nicht, als er eine «Show, die Sie umhauen wird», ankündigte. Big Data ist überall, ob bei Online-Trading, dem CERN oder Siri. Wenn Big Data das neue Öl ist, müssen die Daten aber raffiniert werden. Dazu braucht es Algorithmen, welche die wirklichen Muster in den Daten finden. Denn oft werden Schein-Zusammenhänge gefunden. Helbling nannte das witzige Beispiel von Waldbränden und Eis-essenden Kindern: für beides gibt es gemeinsame Gründe wie heisses Sommerwetter, doch ein Zusammenhang besteht nicht.
Helbling zeigte aber auch viele erfolgreiche Beispiele wie die Ausbreitung von Epidemien. Wenn man solche auf der Weltkarte visualisiert, sieht das zunächst sehr chaotisch aus. Berücksichtigt man aber, dass Viren mit dem Flugzeug schnell über grosse Distanzen verbreitet werden können und man die Karten entsprechend anpasst, mit neuen Distanzen, z. B. Reisezeit statt Kilometern, dann kommt Ordnung ins Chaos. Es lassen sich Prognosen für die Ausbreitung erstellen.
Aus Sicht von Dirk Helbling sollten «digitale Assistenten» den Menschen befähigen. Gutes Beispiel seien Echtzeitübersetzung oder Apps, die vor Krankheiten schützen. Auf die Frage des Moderators, wie die Zukunft nun ausschaue, meinte er, dass wir es selbst in der Hand hätten, die Weichen zu stellen. «Wir haben die Chance, die Gesellschaft neu zu erfinden. Aber dazu müssen wir Altes loslassen.»
Mit dieser doch positiven Aussicht leitete Sandro Brotz zum Podium über. Dort sassen Claudia Mund, Datenschutzbeauftragte des Kantons Zug, die kurzfristig für den Zürcher Datenschützer eingesprungen war, Dr. Markus Christen, Forschungsleiter am Ethik-Zentrum der Universität Zürich und Co-Autor der SATW-Studie, Daniel Habermehl, Head Data & Analytics bei Valora, Jan Vonderlinn, Leiter personalisiertes Marketing und Datenschutzbeauftragter bei Migros, und Malte Polzin, CEO von DeinDeal.
Segen und Fluch war die einstimmige Meinung auf dem Podium, wobei die Firmenvertreter eher den Segen sahen. So auch Jan Vonderlinn. Auf die Frage, ob Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler happy mit dem Cumulus-Programm wäre, antwortete er mit einem klaren Ja.
Die Firmenvertreter waren sich einig, dass die Schweiz spät dran ist. Der E-Commerce, so Malte Polzin, stecke im internationalen Vergleich noch im Kindergarten. Daniel Habermehl erwähnt die Erwartungshaltung der Kunden, weil sie auch im Ausland einkaufen gehen. Man müsse die Kunden bei Laune halten. Natürlich würden mehr kompetente Leute und mehr Budget helfen. Da waren sich die Firmenvertreter wiederum einig. Und die Organisation müsse es umsetzen können, ergänzte Daniel Habermehl.
Unternehmen wollen Geld verdienen. Dabei stellte der Ethiker Markus Christen die Frage der Fairness. Was gebe ich? Was bekomme ich? Konsumentinnen und Konsumente wissen nicht, wer welche Daten hat. Aber es ist noch komplizierter. Viele, die Daten haben, wissen es auch nicht. Malte Polzin findet die Haltung vieler Konsumenten bedenklich, die bereitwillig US-amerikanischen Unternehmen ihre Daten zur Verfügung stellen. «Diese Kostenlos-Kultur: Es ist den Leuten Wurst, was mit ihren Daten passiert.»
Eine Publikumsfrage zielte auf die Willkür der Algorithmen. Für Claudia Mund sollten automatisierte Entscheide durch einen Menschen geprüft werden können. «Dort, wo der Entscheid für mich negativ ist, sollte ich nicht der Willkür eines Algorithmus ausgeliefert sein.» Die Algorithmen seien zwar nicht böse, aber in den Daten könnten Vorurteile stecken. Deshalb müsse die Ethik auch Leute ausbilden, die in den Unternehmen solche Fragen stellen. Und Jan Vonderlinn ergänzt, dass ihre Techniker die schärfsten Datenschutzbeauftragten seien, weil sie auch Kunden sind. Claudia Mund beneidet Jan Vonderlinn nicht, der Projektleiter Kundenmarketing und gleichzeitig Datenschützer der Migros ist. Sie ist aber froh, dass Firmen Datenschutzbeauftragte haben.
In der Diskussion zeigte sich, dass vieles eine Frage des Kontexts ist. Wenn dieser nicht mehr stimmt, ist es den Leuten auch nicht mehr egal. «Wenn ich krank bin, aber anderen mit der gleichen Krankheit helfen kann, dann gebe ich meine Daten gerne. Aber wenn meine Krankheit Einfluss auf meine Hypothek hat, dann verstört mich das», so Markus Christen.
Beatrice Huber, Communications Manager, Tel. +41 44 226 50 17, beatrice.huber(at)satw.ch
Das Datenschutzgesetz der Schweiz muss überarbeitet werden. Dies ist nicht nur die Meinung der Autoren der SATW-Studie, sondern auch der Podiumsteilnehmenden am TecToday. Der Bundesrat hat just am Tag nach dem TecToday seine Botschaft zum neuen Datenschutzgesetz verabschiedet. Nun ist das Parlament dran.