Vom 11.-13. April 2018 fand in Lugano die Konferenz «Digitale21» statt. Die Akademien der Wissenschaften Schweiz haben die hochkarätige Bildungskonferenz gemeinsam mit Partnern organisiert.
Lugano als Brennpunkt der Digitalisierung in der Schweiz: Nachdem sich am 11. April Bildungsfachleute und Lehrpersonen mit den Auswirkungen der Digitalisierung auseinandergesetzt hatten, fand am 12. und 13. April das öffentliche Symposium der «Digitale21» an der Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (SUPSI) statt. Weitere Partner des Anlasses waren die Università della Svizzera italiana (USI) und das Eidgenössische Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB). Claudia Appenzeller, Generalsekretärin der Akademien der Wissenschaften Schweiz begrüsste die Anwesenden zur zweisprachigen (E/I) Konferenz. Dabei stand das Gebot im Zentrum, dass niemand von der Digitalisierung vergessen werden dürfe.
SUPSI-Schulrats-Präsident Alberto Petruzzella begrüsste als Hausherr die Anwesenden. «Wir müssen alles tun, damit die Digitalisierung für uns eine einzigartige Chance ist und kein Risiko», so sein Appell. Harvard-Professor Federico Capasso, Balzan-Preisträger von 2016, war der erste Stargast des Symposiums. Er gab Einblicke in seine bisherigen Forschungsarbeiten, insbesondere in das Thema Metalenses. Diese bezeichnete er als «potentially game changing». Maurice Campagna, Präsident der Akademien Schweiz, hatte zuvor seinen langjährigen Freund als «true scientist with a feu sacré at all wavelengths» vorgestellt. Dieses «feu sacré» war bei der Präsentation von Federico Capasso gut spürbar.
Anschliessend rückten die politischen Aspekte in den Vordergrund: Laura Perret Ducommun, Zentralsekretärin des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds, zeigte auf, wie die Digitalisierung den Arbeitsmarkt verändert. Bisweilen sei bereits heute bei 45-jährigen von «älteren Arbeitnehmenden» die Rede. Sie warnte u.a. vor einer fehlenden Trennung zwischen Privatem und Beruflichem. Die Digitalisierung erfordere ethische Richtlinien sowie eine angemessene Begleitung der Menschen, beispielsweise mittels Coaching. Zudem sei das Bildungssystem weiterzuentwickeln – Stichworte «Lifelong learning» oder «blended learning». Es brauche neue Formen der Arbeitsorganisation, Massnahmen für die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben sowie zum Schutz der Privatsphäre. Zudem gelte es, die gesellschaftliche Debatte über die Konsequenzen der Digitalisierung zu führen, wo sie auch die Akademien in der Pflicht sieht.
Laut Economiesuisse-Chefökonom Prof. Rudolf Minsch ist die Digitalisierung kein Jobkiller: Jede industrielle Revolution habe bisher zu höheren Löhnen, mehr Freizeit und einer besseren Welt geführt. Das werde auch diesmal so sein. Jedes Jahr würden in der Schweiz rund 10 Prozent Stellen vernichtet, aber mindestens ebenso viele geschaffen. Er rechnet damit, dass Routinejobs und solche mit geringer Qualifikation zunehmend automatisiert werden. Künftig stärker gefragt seien hingegen Problemlösungskompetenzen, «Soft Skills» und MINT-Kompetenzen. Gemäss zahlreicher Rankings sei die Schweiz bereit für die Zukunft. So habe der flexible Arbeitsmarkt und die Bereitschaft der Unternehmen, sich Herausforderungen zu stellen, dafür gesorgt, dass z.B. der Frankenschock gut verdaut wurde. «Niemand hat von Bern erwartet, das Problem zu lösen», so Rudolf Minsch. Wichtige Stärken seien die «Schweizer DNA» ohne Klassendenken, dafür mit hoher Selbstverantwortung und Gemeinschaftssinn sowie das offene Bildungssystem. Synergien und Netzwerke könnten aber besser genutzt werden. Zudem sei die Schweiz reich und habe viel zu verlieren. Dies könne zu konservativen Tendenzen führen, welche es erschweren würden, künftige Herausforderungen anzunehmen.
Dr. Fritz Schiesser, Präsident des ETH-Rats, stellte die Digitalisierungs-Schwerpunkte des ETH-Bereichs vor, darunter Personalized Health und Advanced Manufacturing. Im Schnitt wird an den technischen Hochschulen jede Woche ein Spin-off gegründet. Er betonte die Wichtigkeit der Investitionen in die Bildung, welche Stellen und Wohlstand schaffe. «Diese Botschaft muss gegenüber den Politikern deutlich gemacht werden.»
Bundesrat Dr. Ignazio Cassis beurteilte als Ehrengast die Digitalisierung aus der Optik des Aussenministers. Durch die Zusammenarbeit der führenden Hochschulen und dem internationalen Genf könnte die Schweiz beim Thema Digital Governance eine weltweite Führungsrolle spielen. Mit dem UNO-Sitz sowie weiteren dort ansässigen internationalen Organisationen seien die Voraussitzungen sehr gut. Am Beispiel des Smartphones zeigte er auf, welche internationale Organisationen alle involviert sind, damit man heute problemlos mobil und grenzüberschreitend telefonieren oder im Internet surfen könne. Es sei entscheidend, die Bedürfnisse der Welt von morgen zu antizipieren, um auch weiterhin an der Weltspitze zu sein. Die Schweiz habe alle dazu nötigen Kompetenzen. Das gelte auch für das Tessin. Als Beispiel nannte er das AI-Forschungsinstitut IDSIA rund um SATW-Mitglied Prof. Jürgen Schmidhuber. «Die Schweiz wird ein fruchtbarer Boden für Innovation bleiben», gab sich der Bundesrat zuversichtlich.
Zum Abschluss des ersten Tags wies SATW-Vizepräsidentin Monica Duca Widmer auf die grossen Unsicherheiten und hohen Erwartungen in Bezug auf die Digitalisierung hin. Die Schweiz müsse die Herausforderungen annehmen, um eins der innovativsten Länder zu bleiben. Dafür braucht es Aufgeschlossenheit sowie Investitionen in Bildung und Unternehmertum. Wissenschaft und Technik werden eine entscheidende Rolle spielen, doch am wichtigsten werde es weiterhin bleiben, junge Menschen zu kritischem Denken zu erziehen.
Bericht des zweiten Tags des Symposiums.
Adrian Sulzer, Leiter Kommunikation und Marketing, Tel. +41 44 226 50 27, adrian.sulzer@satw.ch