«Digitale21» in Lugano: Zweiter Tag des Symposiums

Digitalisierung 08:55

Vom 11.-13. April 2018 fand in Lugano die «Digitale21» statt. Die Akademien der Wissenschaften Schweiz haben die hochkarätige Bildungskonferenz mit Partnern organisiert. Bericht über den zweiten Tag des Symposiums.

Vom 11.-13. April 2018 fand in Lugano die «Digitale21» statt. Die Akademien der Wissenschaften Schweiz haben die hochkarätige Bildungskonferenz mit Partnern organisiert.

Die erste Paneldiskussion am zweiten Tag des Digitale21-Symposiums drehte sich um die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Bildung. Franco Gervasoni, Generaldirektor der SUPSI, sieht in der Beschleunigung der Veränderungen einen Haupteffekt der Digitalisierung. Hier müssten die Fachhochschulen eine wichtige Rolle spielen, dank ihren engen Kontakt zu Unternehmen. Er hob ihre Bedeutung als Partner für lebenslanges Lernen hervor. Neben der Aus- müsse auch die Weiterbildung forciert werden. Prof. Boas Erez, Rektor der USI, forderte eine anhaltende Debatte zum Thema, wobei die Hochschulen eine Führungsrolle übernehmen müssten. Er plädierte für eine «smarte» Digitalisierung statt einer reinen Automatisierung, bei der menschliche Interaktionen durch Maschinen ersetzt würden. Prof. Cornelia Oertle, Generaldirektorin des Eidgenössischen Hochschulinstitut für Berufsbildung EHB, lobte das Schweizer Berufsbildungssystem, das für eine tiefe Jugendarbeitslosigkeit sorge und die Partnerschaft zwischen Bildungs- und Arbeitswelt fördere. Die Digitalisierung fordere insbesondere jene Lehrkräfte, die keine Digital Natives seien und ihre Denkmuster anpassen müssten. Auch die Lehrpläne sollten den Veränderungen Rechnung tragen, speziell in der Berufsbildung. Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft könnte zum gegenseitigen Nutzen intensiviert werden, wofür es aber ausreichende Mittel brauche. Laut Luca Albertoni, Direktor der Tessiner Handelskammer, müssten Informatikkenntnisse stärker berücksichtigt werden, beispielsweise in der kaufmännischen Lehre. Es gehe nicht darum, KV-Lehrlinge zu Informatikern zu machen, doch müssten IT-Kenntnisse überall einen angemessenen Stellenwert haben.

Staatssekretär Dr. Mauro Dell’Ambrogio nannte die Erfolgsfaktoren für die Innovationskraft der Schweiz, darunter die guten Rahmenbedingungen (speziell für KMU), die tiefe Regulierung, das moderate Steuerniveau, die politische Stabilität oder der soziale Frieden. Der Zugang zu qualifizierten Arbeitnehmenden und die Nähe zu führenden Forschungsinstitution seien die wichtigsten Faktoren, weshalb Firmen hierzulande in F&E investieren. Auch er betonte die Vorteile des dualen Bildungssystems, das bereits Teenagern ermögliche, wichtige Arbeitserfahrungen zu sammeln. Das SBFI investiere 2019 und 2020 200 Millionen Franken, u.a. um digitale Kompetenzen in Schulen und in der Lehrerausbildung zu verbessern, Innovationen zu fördern und via Innosuisse den Technologie-Transfer zu beschleunigen.

Lebenslanges Lernen: Vom Lehrling zum CEO

Ein gutes Beispiel für lebenslanges Lernen ist Peter Voser, Verwaltungsratspräsident der ABB Group, dessen Referat den Titel «From apprenticeship to CEO» trug. Wie Prof. Rudolf Minsch am Vortag betonte er, dass es keine Belege dafür gebe, dass die technische Entwicklung Jobs zerstöre. Allerdings fordere der Fortschritt Anpassungen der Kompetenzen, Vorstellungen etc. So brauche es für den Umbau des Energiesystems neue Übertragungs- und Speichertechnologien sowie Künstliche Intelligenz zur Steuerung der zunehmend dezentralen Systeme und zur sinnvollen Auswertung der Menge und Vielfalt gesammelter Daten. Viele Firmen müssten grosse Investitionen tätigen und jahrzehntelang gültige Annahmen hinterfragen, um von der Digitalisierung profitieren zu können. Auch er sieht MINT-Kompetenzen und eine hohe Anpassungsfähigkeit als Schlüsselfähigkeiten für die Zukunft: Karrierewege würden weniger linear verlaufen und sich durch höhere Diversität kennzeichnen.

Im anschliessenden Panel war vom Dreieck Gesellschaft, Politik und Wirtschaft die Rede, das gestärkt werden müsse. Das dies nicht immer einfach sei, gab Mauro Dell’Ambrogio zu bedenken. Schwierig werde es spätestens bei der Frage, wer wofür bezahlen müsse. Peter Voser entgegnete, dass Firmen vom Staat nicht in erster Linie Finanzierungen erwarten, sondern gute Rahmenbedingungen. Er nannte das Beispiel der Medikamentenzulassung: Unternehmen seien auf schnellere Prozesse der Behörden angewiesen, da sie andernfalls die hohen Investitionen nicht tätigen könnten. Die Digitalisierung könne hier helfen. Mauro Dell’Ambrodgio lobte durch Wirtschaft oder Wissenschaft initiierte Bottom-up-Lösungen. Diese seien nötig, da die Implementierung von Top-Down-Regulierungen oft Jahrzehnte brauche. In Bezug auf die stärkere Individualisierung, welche die Digitalisierung mit sich bringe, sieht Peter Voser grosse Chancen für die Schweizer Industrie. Er glaubt, dass künftig grosse Teile der Produktion zurück nach Europa kommen werden, da man näher beim Kunden produzieren müsse.

Der Tessiner Staatsrat Manuele Bertoli betonte die Bedeutung der Grundbildung – das solide Fundament, auf dem alles aufbaue. Deshalb plädiert er für deren Stärkung, eine möglichst enge Begleitung junger Schülerinnen und Schüler bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit sowie einen intelligenten Einsatz technischer Hilfsmittel. Auch er betonte die Wichtigkeit der Qualifizierung der Lehrpersonen sowie eine Stärkung der Informatik im Lehrplan. Er warnte aber davor, die Schule nur als Vorbereitung auf die Arbeit zu betrachten, statt als Vorbereitung auf das Leben. Man dürfe die Schulbildung nicht alleine dem Ziel «Arbeitsmarktfähigkeit» unterordnen.

Mehr Lernerfolg durch «Learning by doing»

Prof. Federico Capasso stellte verschiedene Lehrmethoden vor. Im Zentrum stand sein Konzept des rückwärtsgewandten Kursdesgins, das er mit Prof. Eric Mazur entwickelt habe. Im Sinne des «Flipped Classroom» würden Studierende zuerst die Theorie lernen, anschliessend Fragen online stellen und im Chatroom diskutieren, später auch im Unterricht. Dort würden zur Anschauung oft Experimente gemacht. Viele Studierende würden zwar glauben, dass sie mit klassischem Frontunterricht mehr lernen. Testergebnisse zeigen aber, dass aktives Lernen zu nachhaltigeren Lernerfolgen führe. Weiter müsse der Unterricht stärker auf Problemlösungskompetenzen ausgerichtet werden. Diese gelte es disziplinenübergreifend zu vermitteln, da die starren Grenzen zwischen den Disziplinen mit der Digitalisierung schrittweise zusammenbrechen würden. Die folgende Diskussion mit Studierenden drehten sich um digitale Lehrformate und die Effekte ausserschulischer Plattformen wie z.B. YouTube. Onlinekurse (MOOCs) können bisweilen das Interesse potenzieller Studierende wecken, doch man dürfe deren Wirkung nicht überschätzen: Die Drop-Out-Raten seien riesig. Es fehle die soziale Interaktion und somit das Gruppengefühl traditioneller Klassenverbände.

Anschliessend wurde in vier Breakout Sessions der Einfluss der Digitalisierung auf die Bildung, Gesellschaft, Wirtschaft sowie auf die Kreativität diskutiert. Die Teilnehmenden mussten konkrete Handlungsempfehlungen erarbeiten. Zurück im Plenum wurden die Empfehlungen der Konferenz und der Breakout Sessions vorgestellt. Am 8. Mai werden diese in überarbeiteter Form Bundesrat Johann Schneider-Ammann vorgestellt.

Auskunft

Adrian Sulzer, Leiter Kommunikation und Marketing, Tel. +41 44 226 50 27, adrian.sulzer@satw.ch