Nahrungsmittel aus Insekten haben viel Protein und wenig Fett – genau das, wonach viele Konsument:innen suchen. Dennoch findet man diese Produkte kaum mehr in den Geschäften. Alles essen die Konsument:innen offenbar doch nicht.
Ich würde mein Geld nicht in Nahrungsmittel aus Insekten investieren – Umfragen unseres Instituts zeigen, dass sie Ekel auslösen können. Solche Produkte sind nicht einfach zu verkaufen. Pflanzlichen Proteinen hingegen stehen die Konsument:innen positiv gegenüber.
Für die Umwelt wäre es besser, die Menschen würden mehr Lebensmittel aus pflanzlichen Proteinen essen. Viele wollen jedoch nicht auf gutes Stück Fleisch verzichten. Ist das eine Frage des Alters?
Wir beobachten, dass die Jüngeren offener sind. Das klassische Menü war über Jahre dreigeteilt: Fleisch, Gemüse sowie Kohlenhydrate in Form von Kartoffeln, Reis oder Nudeln. Wenn nun auf diesem Teller plötzlich Fleisch fehlt, dann fällt das auf. Die Leute bis etwa 35 Jahre jedoch sind es sich von sehr jung an gewohnt, sich auch unterwegs zu verpflegen -und da assen sie nicht von diesem dreigeteilten Teller. Deshalb akzeptieren sie es eher, wenn auf einem Teller das Fleisch «fehlt».
Dann wird man in zehn Jahren mehr pflanzliche Proteine und weniger Fleisch essen?
Meine Prognose ist: Der Konsum von alternativen Proteinen wird steigen. Die Frage aber ist, ob wir auch eine Reduktion des Fleischkonsums sehen werden. Ich halte es für möglich, dass wir in der Schweiz weniger, dafür hochwertiges Fleisch essen werden. Weltweit sieht es aber weniger danach aus, dass der Fleischkonsum sinkt.
In welcher Form müsste man jemanden, der gerne Fleisch hat, pflanzliche Proteine vorsetzen, damit er diese dem Fleisch vorzieht?
Unsere Forschung zeigt: Je mehr Fleisch jemand isst, desto ähnlicher müssen pflanzliche Lebensmittel dem Fleisch sein. Man muss also das Fleisch für diese Konsument:innen möglichst naturgetreu aus pflanzlichen Lebensmitteln nachbilden. Ein Fleisch am Knochen ist allerdings noch heute schwierig zu imitieren. Bei anderen Gerichten wie Geschnetzeltem gelingt das aber immer besser – man kann kaum mehr sagen, ob es aus Fleisch ist oder nicht. Es sind vor allem Flexitarier:innen und Vegetarier:innen, die Fleischalternativen essen, die weder aussehen wie Fleisch noch schmecken wie Fleisch.
Die Beschaffenheit spielt also nicht bei allen Konsumentinnen dieselbe Rolle. Was ist mit dem Geschmack? Und dem Preis?
Der Preis sehr wichtig. Die pflanzlichen Alternativen sind nicht unbedingt günstiger und wenn sie gar deutlich mehr kosten als Fleisch, sind nur wenige Leute dazu bereit, zugunsten des Tierwohls oder der Umwelt mehr zu bezahlen. Je mehr pflanzliche Alternativen aber produziert werden, desto günstiger werden auch sie. Und natürlich ist auch der Geschmack wichtig. Wenn man aber den Geschmack oder auch die Textur nicht mag, dann kauft man es kein zweites Mal.
Aus welchen Gründen essen Konsument:innen heute pflanzliche Proteine statt Fleisch?
Unsere Forschung zeigt, dass es meist einer von drei Gründen ist: Gesundheit, Tierwohl oder Umwelt. Insbesondere bei Flexitarier:innen sind es gesundheitliche Gründe, weshalb sie ihren Fleischkonsum reduzieren und mehr pflanzliche Alternativen essen. Viele Konsument:innen probieren auch einfach gerne etwas Neues aus. Wir beobachten zudem, dass sich mehr Frauen als Männer vegan ernähren. Frauen sind in der Regel gesundheitsbewusster und bei ihnen akzeptiert die Gesellschaft auch eher eine vegane Ernährung als bei Männern.
Gehen Konsument:innen davon aus, dass pflanzliche Proteine gleich gut sind wie jene im Fleisch ?
Für viele Konsument:innen ist Protein einfach Protein. Das stimmt aber nicht; Proteine sind aus verschiedenen Aminosäuren aufgebaut. Die Proteine einer einzigen Pflanze weisen anders als jene von Fleisch meist kein vollkommenes Aminosäurenprofil auf. Das bedeutet, dass nicht alle von unserem Körper benötigten Aminosäuren vorhanden sind. Kombiniert man aber Getreide und Hülsenfrüchte miteinander, ergänzen sich deren Aminosäurenprofile. Es ist also auch mit einer pflanzlichen Ernährung möglich, den Proteinbedarf gut abzudecken.
Noch vor einigen Jahren wurden Veganer:innen als Sonderlinge betrachtet, heute sind vegane Lebensmittel ein Megatrend. Wie ist es dazu gekommen?
Wir spüren auch in der Schweiz die Auswirkungen des Klimawandels und vielen wird dadurch bewusst, dass sie ihr Verhalten ändern müssen. Zudem haben wir in letzter Zeit über eine ganze Reihe von Volksinitiativen abgestimmt, welche unsere Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln zum Thema machten – die Trinkwasserinitiative, die Pestizid-Initiative und zuletzt die Massentierhaltungsinitiative. Keine von Ihnen wurde angenommen, bewirkt haben sie dennoch etwas. Man hat intensiv über diese Themen diskutiert und wurden so sensibilisiert. Viele Leute hinterfragen heute die Produkte, die sie kaufen. Sie wollen wissen, woher sie kommen und was drin ist.
Was interessiert Sie als Forscherin zurzeit am meisten?
Mein persönliches Projekt ist der Tofu. Tofu hat einen schlechten Ruf, dabei verfügt er über ein sehr gutes Aminosäurenprofil. Er war jedoch eines der ersten Alternativprodukte zu Fleisch, die Qualität war damals nicht sonderlich gut und es fehlte oft das Wissen, wie man ihn am besten zubereitet. Wenn man ihn damals nicht gemocht hat, isst man ihn noch heute nicht. Man müsste dem Tofu wohl ein Rebranding verpassen.
Sie sagten, dass sie Ihr Geld nicht in Produkte aus Insekten stecken würden. In welche Fleischalternativen würden Sie investieren?
Zum Beispiel in Ackerbohnen und Kichererbsen. Bei der Ackerbohne wird zurzeit viel darüber geforscht, wie man sie verarbeiten kann. Die Kichererbsen kennen Leute vom Hummus her, das erleichtert den Zugang. Beide Leguminosen schmecken zudem sehr gut. Ich würde aber auch ganz grundsätzlich in pflanzliche Proteine investieren, denn es zeichnet sich keine andere Alternative zur den Fleischalternativen ab.