Am 20. März 2018 diskutierten geladene Experten die Auswirkungen der Medical Device Regulation MDR auf die Schweizer Medizintechnikbranche. Grundlage bildeten fünf Kurzreferate aus Perspektive der Hersteller, Zulieferer, Behörden und des Deutschen Berufsverbands Medizintechnologie.
Rund 20 Fachleute aus Forschung, Industrie und Verwaltung folgten der Einladung und thematisierten am SATW-Forum die Medical Device Regulation (MDR) und ihre Auswirkungen auf die Medizintechnikbranche. SATW-Mitglied Prof. Gabor Székely führte durch den Nachmittag. Risiken, Chancen und mögliche Massnahmen wurden kontrovers diskutiert.
Skandale mit Medizinprodukten wegen mangelnder Qualität sollen mit der neuen MDR verhindert werden. Diese wurde vom Europäischen Parlament im Oktober 2016 verabschiedet und trat im Sommer 2017 in Kraft. Während der Übergangsfirst von drei Jahren müssen die Dossiers aller unter der vorigen Regelung auf den Markt gebrachten Produkte überarbeitet werden. Ende September 2016 wurde beschlossen, die MDR in Schweizer Recht zu überführen. Damit ist der EU-Marktzugang für Schweizer Unternehmen sichergestellt. Die Schweiz hat eine lange Tradition in der Medizintechnik und teilt sich mit Deutschland und Irland die Spitzenposition.
Peter Studer, Leiter Regulatory Affairs des Branchenverbands der Schweizer Medizintechnik Swiss Medtech, eröffnete die Veranstaltung. Anschliessend erläuterten Alfred Niederberger (41medical AG), Beat Lechmann (DePuy Synthes) und Heiner Eichenberger (Safrima AG) die Perspektiven eines KMUs, eines Grossunternehmens und eines Zulieferbetriebs. Die Beteiligten sahen zahlreiche Risiken, welche die Umsetzung der MDR mit sich bringt. Die Bearbeitung der Dossiers bindet Personalressourcen in Forschung & Entwicklung über längere Zeit, was die Innovationskraft der Unternehmen negativ beeinflusst. Diese «Innovationsbremse» führt zu einer Überalterung der Produkte. Davon profitieren die Kopisten aus Billiglohnländern, was dem eigentlichen Sinn und Zweck der MDR widerspricht. Da die Bearbeitung der Dossiers aufwändig ist, werden nur besonders erfolgreiche Produkte in die MDR überführt. Nischenprodukte oder solche mit geringem Umsatz werden aus dem Portfolio gestrichen, was sich auch auf die Zulieferer auswirkt. Es ist zudem problematisch, dass Zulieferer dem Hersteller ihr Prozess-Know-how, also ihre Produktionsgeheimnisse offenlegen müssen. Das Qualitätsmanagement der Zulieferer gerät dann vermehrt in den Fokus der Behörden. Und nicht zuletzt lähmt die Unsicherheit über die genaue Umsetzung der MDR in der Schweiz die Produktivität der Unternehmen und ihre Zusammenarbeit mit den akademischen Forschungsinstitutionen. Und dies in einem Umfeld, in dem China Technologie und Wissenschaft strategisch fördert und die USA ihren eigenen Markt schützen.
Die Überführung der MDR in Schweizer Recht hat allerdings nicht nur negative Seiten. Sie sichert den EU-Marktzugang für hiesige Unternehmen und stellt alle Akteure im europäischen Raum gleich. Aus Sicht der Zulieferer kommt es zu einer Bündelung: In Zukunft werden Hersteller mit weniger Zulieferern arbeiten als bis anhin, was allerdings die Position des Einzelnen stärkt. Ziel der MDR ist maximale Qualitätssicherung und -garantie. So erstaunt es nicht, dass Patientenorganisationen die MDR begrüssen.
Swiss Medtech hat die Problematik erkannt und als Massnahme die MDR-Swiss-Implementation-Taskforce SIT gegründet, eine Austausch-Plattform für betroffene Unternehmen: Branchen-Vertreter unterstützen sich gegenseitig bei der Erfüllung der aufwändigen Anforderungen und erarbeiten gemeinsam mit Spezialistinnen und Spezialisten Lösungsansätze. Das Angebot umfasst Diskussionsforen und Informationsservices. Zudem läuft in Bern ein Pilotversuch am Swiss Institute for Translational and Entrepreneurial Medicine (sitem-insel).
Joachim M. Schmitt, Geschäftsführer des Deutschen Berufsverbands Medizintechnologie BVMed, führte die Teilnehmer in die Situation in Deutschland ein. Die Probleme sind ähnlich gelagert wie in der Schweiz: Mangelndes Wissen über die Umsetzung und über die Zuständigkeit von Behörden, der enge Zeitrahmen sowie die Sicherung des geistigen Eigentums von Herstellern und Zulieferern bestimmen auch dort die Diskussion. Der BVMed versucht, mit Infoveranstaltungen, Symposien, Sommer Camps und über seine Webseite Licht ins Dunkel zu bringen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die MDR die Schweizer Medizintechnikindustrie vor grosse Herausforderungen stellen wird. Momentan sind noch viele Fragen offen, die Unternehmen entsprechend verunsichert. Klar scheint, dass ein «Swiss Finish» bei der Übernahme der MDR in Schweizer Recht keine Option ist, da er den Schweizer Akteuren keine Vorteile bringt. Es fehlen die Grundlagen, um mit der Umsetzung zu beginnen. Beratung, Verbindlichkeit und, vor allem bei den KMU, weitergehende unterstützende Massnahmen für die Implementierung sind gefragt.
Dr. Claudia Schärer, Leiterin Früherkennung, Tel. +41 44 226 50 20, claudia.schaerer@satw.ch