Wir leben mit sehr vielen Mikroorganismen, die sehr nützlich sind. Der dritte Beitrag der Blog-Serie zum diesjährigen Früherkennungsbericht der SATW befasst sich mit technologischen Entwicklungen in Medizin und Biotechnologie.
Haut und Schleimhaut sind mit Bakterien, Pilzen und manchmal auch mit Viren besiedelt. Quasi unmerklich belagern sie uns. Diese Gesamtheit aller Mikroorganismen im menschlichen Körper heissen Mikrobiota. Sie werden vom unmittelbaren familiären Umfeld erworben und übernehmen einen beträchtlichen Teil an Funktionen, die mit unserer Gesundheit, aber auch mit Krankheiten in Verbindung stehen.
Das Humangenom-Projekt, mit dem wir tiefe Einblicke in die Physiologie unseres Körpers und dessen pathophysiologische Vorgänge bekamen, wurde in den Grundzügen 2003 abgeschlossen. Riesige DNA-Sequenzierkapazitäten wurden frei und standen für neue Projekte zur Verfügung. Dank neuen Methoden wie der Gesamt-DNA-Extraktion und der Sequenzierung aller 16S rRNA Gene wurde es auch möglich, die Genome von Bakterien zu sequenzieren, die bislang experimentell nicht zugänglich waren. Man erhielt einen ersten Überblick über die Vielfalt all derer, die zuvor nie gesehen wurden
Eine der wichtigsten Aufgabenfelder ist die Erforschung von Zusammensetzung und Funktionen des menschlichen Mikrobioms, also der Gesamtheit der Gene der Mikrobiota. Mikrobiota sind vermutlich an Erkrankungen wie Diabetes, Krebs, Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa, Reizdarmsyndrom und Herz-Kreislauf-Erkrankungen beteiligt. Bei Menschen mit diesen Erkrankungen gibt es Veränderungen im Mikrobiom, ob ursächlich oder infolge ist oft unklar. Dort könnten präventive Massnahmen und therapeutische Interventionen ansetzen. Die Mehrzahl der klassischen Probiotika, ob hochdosiert in Kapseln oder über lange Zeit als Nahrungsergänzung eingenommen, führen klinisch nachweisbar nicht zum Ziel.
Die Mikrobiota gesunder menschlicher Spender wurde von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA als Medikament für die fäkale Mikrobiota-Transplantation zugelassen. Mittlerweile ist in den USA auch bereits die erste «Stuhl-Pille» zugelassen, eine Kapsel mit gefriergetrockneter Mikrobiota. Schon aus ethischen Gründen kann das aber nicht die dauerhafte Lösung für die Mikrobiota-Therapie sein. Um bei einem Patienten eine gesunde Mikrobiota erfolgreich anzusiedeln und krankmachende Keime zu verdrängen, braucht es dann auch nicht die riesige Gesamtheit aller Bakterien. Es würden Pionierkeime genügen. Noch steht Forschung und Entwicklung solcher wirksamer, therapeutischer Probiotika im präklinischen Stadium.
Daniel Gygax, daniel.gygax@satw.ch
Daniel Gygax forscht an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW in den Bereichen in-vitro Diagnostik und biospezifische Interaktionsanalytik und ist Dozent für Bioanalytik und Biotechnologie. An den Universitäten Basel und Palermo ist er Lehrbeauftragter. Er hat am Biozentrum der Universität Basel Biologie II studiert und in Mikrobiologie/Biochemie doktoriert. Anschliessend war er an der Harvard University als Post-doc und bei Ciba-Geigy/Novartis in den Zentralen Forschungslaboratorien und der Division Pharma tätig. Seit 1999 wirkt er an der FHNW als Dozent und Forscher und hatte während 10 Jahren den Studiengang «Molecular Life Sciences» geleitet. Über 15 Jahre hatte der das Nationale F&E-Konsortium biotechnet Switzerland und das NTN Swiss Biotech präsidiert. In der TA-Swiss war er Mitglied des Leitungsausschusses. Daniel Gygax wurde 2008 zum Einzelmitglied der SATW ernannt. Er engagierte sich im Wissenschaftlichen Beirat und im Transferkolleg und seit 2012 leitet er die Themenplattform «Biotechnologie und Bioinformatik». Das hier vorgestellte Projekt wurde von Dr. Dieter Grimmecke, Laves Pharma, in die Themenplattform eingebracht.