Viele Leute wollen weniger Fleisch und weniger Milchprodukte essen. Pflanzliche Proteine wie Sojabohnen, Kichererbsen oder Lupinen sind eine gute Alternative - nur werden sie in der Schweiz kaum angebaut. Weshalb?
Diese Frage stellt sich tatsächlich. Sojabohnen zum Beispiel gedeihen in der Schweiz gut – sie bevorzugen eine Lage bis 550 Meter über Meer und genügend hohe Temperaturen. Das können wir bieten. Zudem hat Agroscope, das Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung, gerade bei Soja gute Züchtungsarbeit geleistet. Nur: Die Nachfrage danach ist nicht gross, viele Konsument:innen lassen Soja aus der Schweiz links liegen.
Haben Sie eine Erklärung dafür?
Der Preis. Die Konsument:innen müssten bereit sein, für Schweizer Tofu mehr zu bezahlen als für den Importierten. Dabei gäbe es ermutigende Beispiele: Eine Bio-Bäuerin etwa verarbeitet das Soja anderer Bauern zu Tofu und dieser verkauft sich dank Direktvermarktung sehr gut.
Dabei suchen viele Konsument:innen genau solche Produkte – regional und biologisch.
Ja, aber wenn sie die Wahl haben zwischen einem biologischen Tofu aus der Region und einem aus Brasilien, der halb so teuer ist, dann greifen viele nach diesem. Deshalb stellt sich die Frage: Wie bringen wir die Konsument:innen dazu, einen fairen Preis für gute, lokale Produkte zu zahlen, damit Landwirte wirtschaftlich anbauen können? Aber wie das Beispiel der Bäuerin zeigt, gibt es durchaus auch Konsument:innen, die dazu bereit sind. Um diese zu erreichen, sind wir aber auf die Grossverteiler angewiesen. Sie müssten mehr Produkte aus Schweizer Soja in ihr Sortiment aufnehmen – und sie entsprechend bewerben.
Was ist mit Kichererbsen? Heute findet man bei den Grossverteilern ganze Kühltruhen voller Hummusvariationen.
Die Kichererbsen sind im Anbau nicht ganz einfach. Der Ertrag schwankt mit dem Wetter - wenn es schlecht ist, ist die Ernte klein oder es gibt gar einen Totalausfall. Die Kichererbsen wurden züchterisch auch lange nicht bearbeitet.
Welche Leguminosen neben Soja hätten in der Schweiz eine grosse Zukunft?
Da gibt es eine ganze Reihe. Weisse Lupinen zum Beispiel sind für unsere Ernährung sehr gut geeignet und man kann sie nicht nur in Gunstlagen bis 550 Meter über Meer, sondern auch in höheren Grenzlagen anbauen. Interessant sind zudem die Erbse und die Ackerbohne, auch Saubohne genannt. Die Ackerbohne gedeiht sogar in Bergzonen. Für unsere Vorfahren, die noch weniger Fleisch assen als wir heute, war sie eine wichtige Pflanze, um den Proteinbedarf zu decken. Sie ist in der Schweiz aber in Vergessenheit geraten.
Wir Konsument:innen sind heute verwöhnt – würden wir die Saubohne noch essen?
Bei einem Anlass des Museums Ballenberg wurden kürzlich verschiedene alte und lokale Sorten von Ackerbohnen verköstigt und die Rückmeldungen waren grossmehrheitlich positiv bis begeistert. Favorit war die Ackerbohne von Habkern. Einige ältere Besucher:innen haben die Saubohne sogar noch gekannt.
Dann ist die Saubohne die Perle, nach der die Lebensmittelindustrie sucht?
Das könnte man fast so sagen. Sie hat ein enormes Potenzial. Für einen Bio-Bauernbetrieb wollten wir den Proteinanteil der Maisproduktion erhöhen und haben deshalb den Mais in einer Mischkultur mit der Stangen- und Feuerbohne angepflanzt. Das hat sehr gut funktioniert – und bringt dem Bauern sozusagen noch gratis Stickstoff in den Boden. Einen Nachteil hat die Ackerbohne aber: Ihr Saatgut ist gross und entsprechend teuer.
Sie erwähnten vorhin auch die Erbsen.
Ja, gelbe Erbsen wie auch die Futtererbse wären für den Anbau in der Schweiz sehr gut geeignet – die Erbse verfügt über relativ viel Protein, ist selber aber anspruchslos und liebt das Schweizer Klima, jedenfalls wenn der Sommer nicht allzu heiss und trocken ist. Dennoch werden sie in der Schweiz kaum angebaut – für den Speisekanal werden fast 100 Prozent importiert.
Da stellt sich die Frage, ob in der Schweiz das Richtige angebaut wird.
Diese Frage stellt sich der Agrarpolitik. Die Schweizer Landwirte suchen natürlich nach Kulturen, mit denen sie wirtschaftlich über die Runden kommen. Erbsen oder Soja gehören jedoch nicht gerade zu den Cash Crops, zu den Pflanzen, die man zu Markte trägt. Aber: Man könnte in der Agrarpolitik andere Schwerpunkte setzen und zum Beispiel für diese Kulturen die Direktzahlungen erhöhen.
Soja oder Kirchererbsen werden in wärmeren Ländern angebaut. Wären sie gute Alternativen, wenn es im Zuge des Klimawandels in der Schweiz wärmer wird?
Die Ackerbohne und die Lupine überstehen warme Sommer gut, sogar besser als das Getreide. Die beiden Proteinpflanzen machen Pfauwurzeln, die tief in die Erde gehen, das Getreide produziert eher Flachwurzeln. Soja profitiert sicher vom Klimawandel. Bei Kichererbsen hingegen besteht nach wie vor das Risiko von grossen Ertragsschwankungen. Zudem ist auch ihr Saatgut sehr teuer.
Sie sind Agronom. Was ist es, was Sie zurzeit am meisten beschäftigt?
Wie wir die Konsument:innen dazu bringen, wieder weniger Fleisch zu essen. Ich bin überzeugt, der Fleischverbrauch muss wieder auf ein umweltverträgliches Mass sinken. Wir müssen nicht 50 Kilo pro Jahr essen - auch 30 oder 35 Kilo genügen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir aber gute Alternativen aus pflanzlichen Proteinen anbieten können, am besten verschiedene, damit sie zusammen das ganze Amonisäurenprofil abdecken.