Am Donnerstag, 24. September, fand der dritte und vorerst letzte Austausch von Bürgerinnen und Bürgern mit Fachleuten im Rahmen der Veranstaltungsreihe «KI im Dialog» statt. Auch in dieser Ausführung im Impact Hub Lausanne wurden Herausforderungen konkreter Anwendungen von künstlicher Intelligenz aus Sicht der Teilnehmenden diskutiert.
Dr. Fabienne Marquis Weible, Vorstandsmitglied der SATW und Direktorin der Schweizerischen Vereinigung für Uhrenforschung, begrüsste die Teilnehmenden im Impact Hub Lausanne. Sie stellte das Gemeinschaftsprojekt mit der Stiftung Risiko-Dialog vor, das von den Akademien der Wissenschaften Schweiz unterstützt wird. Ziel des Projekts ist es, den Dialog mit der Bevölkerung zum Thema Künstliche Intelligenz zu initiieren. Mittels partizipativer Workshops diskutieren die Teilnehmenden empfundene Herausforderungen und Chancen gegenüber dem Einsatz von künstlicher Intelligenz und formulieren Empfehlungen für die Ausgestaltung von Anwendungen, damit sich diese langfristig positiv auf unsere Gesellschaft auswirken.
In seiner einleitenden Keynote gab Prof. Hervé Bourlard, Direktor des Idiap Research Institutes und SATW-Mitglied, einen Überblick über die Entwicklung im Bereich künstlicher Intelligenz und deren Einfluss auf die Gesellschaft. Er zeigte auch auf, wie sich das Verständnis von KI über die Jahre veränderte und welche Fortschritte sich damit in Bereichen wie Bilderkennung oder autonomem Fahren erzielen liessen. Allgemein gab er den Teilnehmenden mit auf den Weg, nicht übermässige Ansprüche an die Technologie zu stellen, ihr aber auch nicht allzu kritisch gegenüberzustehen.
Die Teilnehmenden konnten zwischen drei parallelen Workshops zu Anwendungsfeldern von KI wählen: KI in der Medizin, für personalisierte Informationen in den sozialen Medien und in Bewerbungsprozessen. Mittels eines Brainstormings teilten sie ihre Hauptassoziationen zum Einsatz von KI im jeweiligen Anwendungsbereich mit. Diese Empfindungen diskutierten sie anschliessend und verglichen sie mit den Erkenntnissen aus den vorangehenden Veranstaltungen in Zürich und in Bern. Eine Fachperson stellte anschliessend aktuelle KI-Anwendungen oder Forschungsprojekte aus den jeweiligen Bereichen vor. Anhand eines konkreten Szenarios wurden danach spezifische Herausforderungen sowie Chancen und Risiken beleuchtet und vertieft. Dazu formulierten die Teilnehmenden Empfehlungen, wie die Aspekte in den jeweiligen Anwendungen berücksichtigt werden könnten.
Im Workshop «KI in der Medizin» stellte Prof. Christian Lovis, Leiter der Abteilung medizinische Informationswissenschaften der Universitätsspitäler Geenf HUG, einige Herausforderungen beim Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Medizin vor. Sein Vortrag ermöglichte es den Teilnehmenden, die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen der heute verwendeten Algorithmen, insbesondere im Bereich der Diagnosehilfe, zu erfassen. Die anschliessenden Diskussionen drehten sich viel um das Thema der menschlichen Beziehung und des Vertrauens zwischen dem Patienten und seinem Arzt. Auf KI-basierende Programme in der Medizin sollten heute nach Ansicht von Fachleuten und Workshop-Teilnehmenden als neue Instrumente angesehen werden. Diese stehen den Gesundheitspraktikerinnen und Gesundheitspraktikern zur Verfügung, sollen diese aber nicht ersetzen. Die Zukunft liegt in der Mensch-Maschine-Zusammenarbeit.
Der Workshop «KI in Bewerbungsprozessen» wurde von Michaël Meyer (Universität Lausanne und Stiftung Risiko-Dialog) und Laura Tocmacov Venchiarutti (Stiftung impactIA) geleitet. Tanguy Dulac von Deloitte Schweiz zeigte in seiner Präsenation die Rolle der Technologie im Bereich Bewerbungsprozesse auf. Die Teilnehmenden betonten, dass Transparenz, Fairness, Glaubwürdigkeit und Ethik wichtige Werte sind, die den Begriff KI heute begleiten. Ihre Hauptbefürchtungen sind der Verlust einer legitimen menschlichen und emotionalen Rolle bei der Rekrutierung sowie Auswahlverzerrungen, die atypische oder innovative Profile in der Arbeitswelt benachteiligen.
Höhere Effizienz, Schnelligkeit und Entscheidungsunterstützung sind einige Mehrwerte, die man sich im HR-Bereich von KI verspricht. Ihnen gegenüber stehen Bedenken bezüglich der Ungewissheit über die Fähigkeiten der sowie die Kontrolle über die Algorithmen, den Zugang zu Daten und die Verantwortung für getroffene Entscheidungen zu behalten.
Unter den geäusserten Wünschen wurde die Einführung von Transparenzregeln und Schulungen (für HR-Fachleute und die Öffentlichkeit) weitgehend befürwortet. Die Teilnehmenden wünschen sich zudem die Errichtung einer Technologieaufsicht und eines Qualitätslabels.
Im Workshop «KI und personalisierte Informationen in sozialen Medien» stand Nicolas Baya-Laffite, vom STSlab der Universität Lausanne, als Experte zur Verfügung. Die Diskussion innerhalb dieser Gruppe war sehr reichhaltig und ging teilweise über den ursprünglichen Workshop-Rahmen hinaus. Während KI und soziale Netzwerke noch in den Kinderschuhen steckten, stellten sie für die Gesellschaft eindeutig vorteilhafte Innovationen dar. Gegenwärtig empfinden die Workshopteilnehmenden die Situation ambivalenter: Die Gruppe stellte viele Missbräuche fest. Diese sind grösstenteils auf das Geschäftsmodell – «falsche Kostenfreiheit» – zurückzuführen, das der Entwicklung dieser Plattformen zugrunde liegt, wie Nicolas Baya-Laffite in seinem Vortrag darlegte.
Facebook, Instagram, YouTube, Twitter, TikTok und andere Akteure befinden sich heute in einem harten Wettbewerb, um die Aufmerksamkeit ihrer Nutzer zu gewinnen und die Anzahl der Klicks bei ihren Werbekunden zu monetarisieren. Indem sie Inhalte nur auf der Grundlage des Profils und der Suchhistorie des Nutzers anbieten, stecken soziale Netzwerke ihre Nutzer in Filterblasen, die dazu neigen, ihre persönlichen Meinungen zu verstärken. In vielen Ländern ist z.B. Facebook zum Hauptkanal geworden, über den die Menschen Informationen erhalten. Das macht die demokratische Debatte immer unsicherer. Schliesslich neigen soziale Netzwerke dazu, die Grenze zwischen Fiktion und Realität zu verwischen. Falschnachrichten, die von grossen politischen Führern verbreitet und manchmal auch selbst erstellt werden, verbreiten sich mit hoher Geschwindigkeit. Dies schafft eine Welt, in der es immer schwieriger wird, das Richtige vom Falschen zu trennen.
Seitens der Teilnehmenden gab es fast ausschliesslich positive Rückmeldungen. Die aktive Mitarbeit und die Diskussion in den Workshops wie auch der gegenseitige Austausch und mit Fachleuten wurde sehr geschätzt. Der anschliessende Apéro bot dann nochmals die Gelegenheit, sich auszutauschen und den Abend gemütlich ausklingen zu lassen. Die Resultate aus der Veranstaltungsreihe werden nun zu einem Bericht kondensiert und sollen – wenn die Pandemie-Lage dies erlaubt – an einer Veranstaltung anfangs Dezember einem ausgewählten Publikum mit Vertreterinnen und Vertretern der Politik und der Bundesverwaltung vorgestellt.
Manuel Kugler, Leiter Schwerpunktprogramme Advanced Manufacturing und Künstliche Intelligenz, Tel. +41 44 226 50 21, manuel.kugler(at)satw.ch
Unter dem Begriff «Künstliche Intelligenz» KI (engl. «Artificial Intelligence» AI) verstehen wir im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe Anwendungen von Computern, die selbstständig aus Daten lernen. Basierend auf diesen Erfahrungen erstellen sie in neuen Situationen Vorhersagen. Solche Computerprogramme können relativ eigenständig Probleme lösen und Entscheidungen fällen.