Ich habe meine Ferienzeit dazu genutzt, den Film «Oppenheimer» von Christopher Nolan anzuschauen, das Biopic über den «Vater der Atombombe». Diesen fesselnden biografischen Historienfilm kann ich nur weiterempfehlen, nicht nur wegen seiner cineastischen Qualität, sondern vor allem auch wegen der Fragen, die aufgeworfen werden. Diese sind nämlich weiterhin äussert aktuell und zeigen einmal mehr, wie wichtig die Mission ist, der sich unter anderen auch die SATW verpflichtet: eine Bewertung der Auswirkungen neuer Technologien auf die Gesellschaft – also auf uns.
Sie denken jetzt vielleicht, dass zwischen der Atombombe und den Technologien, die uns heute beschäftigen, doch Welten liegen. Da stimme ich Ihnen zu. Jedoch werden wir gerade Zeug:innen davon, dass Technologien entwickelt und eingesetzt werden, die unsere Beziehung zur Welt, unsere Sicht auf sie und unsere Gedanken über sie grundlegend verändern werden. Um ein paar konkrete Beispiele zu nennen: Die Künstliche Intelligenz (KI) dringt bereits in unsere Leben ein, genauso die Neurotechnologie; zudem tauchen neue Instrumente auf, mit denen das genetische Erbgut und unser Denken beeinflusst werden können, oder die uns gleichsam in einen digitalen Strudel mitreissen.
All unsere Überlegungen in Zusammenhang mit unserem Wirken als Ingenieur:innen beziehen sich auf die wissenschaftliche Verantwortung, die sich als viel komplexer erweist, als man gemeinhin annehmen würde. Das illustriert der Oppenheimer-Film sehr eindrucksvoll. Da gibt es auf der einen Seite die Wissenschaftsfanatiker, die sich keinerlei moralische oder auch einfach nur menschliche Fragen stellen. Auf der anderen Seite stehen diejenigen – unter ihnen kein Geringerer als Einstein –, die sich schlicht und einfach weigern, sich am Bau einer Massenvernichtungswaffe zu beteiligen. Doch die Fronten waren damals nicht starr, und je näher die Vollendung der Atombombe rückte, desto spürbarer wurden die Zweifel. Gewisse Beteiligte verschanzten sich darum hinter Glaubenssätzen: das Projekt richte sich gegen die Nazis und nicht gegen die Menschheit, es diene der Abschreckung und sei nicht für den Einsatz bestimmt. Und schliesslich die scharfe Antwort der Militärs: «Ihr Wissenschaftler hattet die Aufgabe, die Bombe zu liefern, über ihren Gebrauch aber werden fortan wir entscheiden» … auch auf die Gefahr hin, die Menschheit auszulöschen – denn die Wissenschaftler beurteilten diese Gefahr als durchaus real.
Der Film beschäftigt sich mit einer ganz spezifische Entwicklung in einer Welt von Physikern, aber dieselben Problematiken betreffen auch viele andere Disziplinen wie die Biologie und die Medizin. Wo ist die rote Linie, die nicht überschritten werden darf? Ein Konsens ist schwierig zu finden, sowohl im globalen Kontext als auch unter Individuen, denn jeder Mensch wird von unterschiedlichen Ambitionen getrieben, und diese können ihn blind machen und dazu führen, sich der Verantwortung als Mensch nicht mehr bewusst zu werden.
Es erstaunt nicht, dass sich mit diesem filmischen Werk die Figur des Titanen Prometheus aufdrängt, der den Göttern das Feuer entwendete, um es den Menschen zu bringen. Da sich der Göttervater Zeus betrogen fühlte, verdammte er Prometheus dazu, sich an einen Fels gefesselt jeden Tag von einem Adler die Leber aus dem Leib fressen zu lassen, die sich dann nachts immer wieder erneuert. Eine Höllenqual ohne Ende, welche erstmals die Schuldhaftigkeit einführt in Bezug auf den menschlichen Fortschritt, sinnbildlich das Feuer, … was der Regisseur von Oppenheimer wiederum mit den Worten von Strauss, Mitglied und später Vorsitzender der Atomenergiekommission, aufnimmt: «Genie bedeutet nicht automatisch Weisheit.» Wer aber übernimmt in unserer Welt die Rolle des Göttervaters? … und schützt die Menschen vor einer Zukunft voller Gewissensqualen? Die SATW? Im Alleingang bestimmt nicht – aber die SATW sieht es als ihre Aufgabe an, potenzielle Problematiken zu erkennen, die Risiken bzw. Vorteile von technologischen Entwicklungen auszuwerten und der Bevölkerung einen vertrauenswürdigen Rahmen unserer Forschungsarbeit zuzusichern.
Benoît Dubuis
Präsident der SATW