Menschen entwerfen Maschinen und tragen ihnen Sorge. Umgekehrt machen uns Maschinen das Leben einfacher. So weit – noch gut. Doch Künstliche Intelligenz wirft die Frage auf, ob der Mensch dereinst «intelligente» Maschinen konstruieren wird, die ihm ebenbürtig oder gar überlegen sind. Keine bloss technische Frage, denn eine solche Entwicklung hat grosse gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Konsequenzen. Um am «TecToday: Man vs Machine – Battle of Brains» darüber zu diskutieren, kamen am 13. September rund 120 Personen in den Technopark Zürich.
«Was macht sie so sicher, dass ich wirklich hier bin.» Mit dieser (noch) rhetorischen Frage führte Sandro Brotz, der Moderator des Abends, ins Thema ein und stellte mit Verweis auf SATW-Mitglied Jürgen Schmidhuber gleich noch die Frage «Wer glaubt, dass das Weltall von Künstlicher Intelligenz erobert wird?» Im Publikum meldete sich nur eine Minderheit. Waren vor allem Skeptikerinnen und Skeptiker gekommen?
Nach dieser Einleitung folgte noch ein Grusswort des Gastgebers. «Mit der Veranstaltungsreihe TecToday wollen wir nicht nur Fakten liefern, sondern auch zum Mitdiskutieren anregen», sagte Rolf Hügli, Generalsekretär der SATW. Nach dem Dank an die beiden Partner, das Digital Festival und die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften, wurde auch er etwas nachdenklich: «Ich bin von Beruf Ingenieur und deshalb begeistert von Maschinen, aber bei Künstlicher Intelligenz …» Die Maschine ist heute der beste Freund des Menschen, aber wird sie uns einmal ersetzen?
Der erste Referent des Abends war Hans-Joachim Glock, Professor für Theoretische Philosophie an der Universität Zürich. Er widmete sich sogleich der Frage, was künstliche Intelligenz sei, vor allem auch was Intelligenz sei. Diese ist, was ein IQ-Test misst. Doch dieser misst verschiedene menschliche Fähigkeiten, die für künstliche Intelligenz nicht entscheidend seien. Hans-Joachim Glock präsentierte eine aus seiner Sicht bessere Definition: Fähigkeit, kognitive Probleme – auch neue – auf flexible Weise zu lösen. Und wegen der Flexibilität braucht Intelligenz auch die Fähigkeit zu lernen.
Wie für einen Philosophen üblich, stelle er auch ein paar Thesen auf: Ein intelligentes System brauche einen Körper – also einen Roboter. Denn Denken tue das System als Ganzes. «Mein Gehirn denkt nicht, ich denke. Das Gehirn ist nur das Organ, dass ich dafür einsetze.» Und ein weiterer Denkanstoss für die Diskussion: Ein im anspruchsvollen Sinn denkendes und handelndes System lässt sich seine Ziele nicht einfach vorgeben, sondern wählt diese selbst. Es gibt keinen prinzipiellen Grund, warum ein künstliches System wie ein computergesteuerter Roboter dazu nicht in der Lage sein sollte. Wollen wir das?
Der Philosoph hatte den Abend eröffnet, nun folgte die Vertreterin der KI-Forschung, Prof. Jana Koehler von der Hochschule Luzern. KI-Forschung gibt es schon seit 70 Jahren. Ein Schlüsselereignis war 1956 der Dartmouth Workshop, an dem der Begriff geprägt wurde. Die Stanford School plädierte für den Begriff «Komplexe Anwendungen für Computer», während sich die MIT School mit dem Begriff «Künstliche Intelligenz» durchsetzte. Jana Koehler liess durchblicken, dass sie den erstgenannten Begriff bevorzuge. In der ersten Welle der KI-Forschung wurden Daten maschinenlesbar. In der zweiten Welle können Daten nun maschinenverständlich gemacht werden.
Künstliche Intelligenz ist in vielen aktuellen Technologien und Anwendungsgebieten im Einsatz. Die Systeme sind hochspezialisiert. Jana Koehler präsentierte einige Beispiele für KI, die funktionieren: Ein Gabelstapler, der den Arbeiter im Lager assistiert, eine intelligente Liftsteuerung oder der Roboter «Pepper», der Touristen auf der Rigi Auskunft gibt. Sie nannte mit der globalen Kleiderproduktion auch ein Anwendungsgebiet, das stark von KI profitieren könnte. Heute werden Kleider in Billiglohnländern an Lager produziert und viele davon unbenutzt weggeworfen. Mit KI und Robotern könnte man effizienter vor Ort und erst auf Bestellung produzieren, was die Ressourcen schont.
Für die Diskussion stiessen Pascal Kaufmann, Gründer von Starmind, Anita Lüthi, Professorin am Department für Neurowissenschaften der Universität Lausanne, sowie Antoinette Weibel, Professorin für Personalmanagement an der Universität St. Gallen hinzu.
Die erste Frage von Sandro Brotz ging an Antoinette Weibel: Gehe es nicht einfach darum, Mitarbeiter fit für KI zu machen. Aus Sicht von Antoinette Weibel geht es auch ums bewusste Gestalten. Sie wisse von Firmen, die heute halbfertige Produkte kaufen, die mehr Schaden anrichten. Pascal Kaufmann stellte klar, dass wir noch keine Künstliche Intelligenz hätten. Wenn man zig Millionen Bilder braucht, um zu erkennen, ob es sich um Katze, Hund oder Kuh handle, dann ist das nicht sehr intelligent. Ist es denn nur ein Hype wollte der Moderator von der KI-Forscherin wissen. Solche Beispiele wie mit der Katze seien klar ein Hype, sagte Jana Koehler. Das Forschungsgebiet nicht.
Wo kann KI eine Erleichterung für uns sein? Pascal Kaufmann hätte gerne eine Linse, die ihm die Antworten auf alle Fragen liefert. Hans-Joachim Glock würde dann aber gerne die Antwort selbst auswählen. Die Frage ist also, was wünschenswert ist. Antoinette Weibel bemerkte, dass es eine reale Angst vieler Menschen sei, dass sie durch Maschinen ersetzt werden könnten. Sie fügte hinzu, dass sogar Führung automatisiert werden könnte. Das hören Chefs wohl nicht so gern. Jana Koehler wies darauf hin, dass menschliche Arbeit eben ein grosser Kostenfaktor sei. Beispielsweise im Zahlungsverkehr oder bei der Kleiderproduktion könne vieles automatisiert werden. Niedrigqualifizierte Arbeitsplätze würden also durch Maschinen ersetzt. Dafür entstehen Stellen für Besserqualifizierte, aber an einem anderen Ort.
Anita Lüthi berichtete darüber, was man über die Arbeitsweise des Hirns wisse: Dieses sei jeden Tag anders. Zudem passiere im Schlaf sehr viel, auch kreative Prozesse. Wie geht es weiter? Pascal Kaufmann plädierte dafür, dass die Schweiz eine Führungsrolle in KI übernehmen soll. Die Schweiz sei gut positioniert, um die Debatte zu führen. Antoinette Weibel fügte hinzu, dass eine Debatte nötig sein, auch bei der Ausbildung von HR-Managern. Sandro Brotz fragte – nicht unabsichtlich etwas provokant – das Podium: Steht die Ethik immer hinten an? Antoinette Weibel zeigte sich nicht so pessimistisch Und was geht der Hirnforschung durch den Kopf? Anita Lüthi störte sich am Bild des Forschers, der sich nicht um Ethik kümmert. «Wir machen uns sehr viele Gedanken.» Wir wollen KI nutzen zum Wohle des Menschen. Mensch gegen Maschine oder doch Mensch und Maschine? Am Apéro wurde noch heftig weiter diskutiert.
Beatrice Huber
Communications Manager
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