Am 30. Oktober fand in Winterthur das fünfte Swiss Green Economy Symposium statt. Die SATW unterstützt den Anlass als Wissenschaftspartner und moderierte das Innovationsforum Mobilität.
Getreu dem Motto «Grenzen überschreiten» fand das Swiss Green Economy Symposium (SGES) erstmals mit einem Gastland statt, den Niederlanden. So begrüsste nebst Stadtpräsident Michael Künzle Botschafterin Anne Luwema die rund 800 Teilnehmenden. In ihrer Rede zeigte sie auf, was ihr Land alles tut, um nachhaltig zu werden. Als Beispiel nannte sie Nijmegen, dessen Stadtpräsident Drs. Hubert M.F. Bruls später unter dem Titel «Big City – Big Data» erklärte, welche Daten die Stadt über Bürgerinnen und Bürger sammelt und wie sie diese nutzt. Dabei gelte es, ethische und rechtliche Grenzen zu beachten. Themen, denen sich auch die SATW widmet. Sonja Hasler führte durch den kurzweiligen Morgen mit rasch wechselnden Referaten. Entsprechend breit war der Themenmix. Er reichte von Freihandel über Menschenrechte bis zu Smart Cities. Viele Referentinnen, Referenten und Podiumsgäste nahmen Bezug auf die UN Sustainable Development Goals als wichtigen Referenzrahmen.
ETH-Präsiden und SATW-Mitglied Prof. Lino Guzzella betonte, wie wichtig eine massive Reduktion des CO2-Austoss ist. Allerdings wisse noch niemand, wie man diese realisieren könne. Es sei Aufgabe der Hochschulen, das Weltwissen zu bündeln, den Studierenden zugänglich zu machen und sie bei unternehmerischen Initiativen zu unterstützen. Stellvertretend für die vielen Spin-offs der ETH nannte er das Startup Climeworks, dass mit seiner Technologie CO2 aus der Luft filtert. Weiter hob er die Bedeutung eines Entrepreneurship-Ökosystems hervor, wie es in Zürich entstehe. Ein Schwerpunkt des Referats bildete der Bausektor, der Punkto Produktivität hinter der Gesamtwirtschaft herhinkt. Hier seien Innovationen nötig. Advanced-Manufacturing-Verfahren könnten für einen Entwicklungsschub sorgen. ETH Zürich und EMPA seien mit dem Arch Tech Lab bzw.der NEST-Plattform weltweit vorne mit dabei.
Wie wichtig der Gebäudesektor für eine nachhaltige Zukunft ist, zeigte auch Siegfried Gerlach auf, CEO von Siemens Schweiz. Der Konzern investiert rund 100 Millionen Euro, um bis 2030 CO2-neutral zu werden. «Gebäude sind die grössten Energiefresser», so Gerlach. Entsprechend liegt dort ein Schwerpunkt der Arbeit. Dank Energieeffizienz lasse sich der Verbrauch oft um bis zu 40 Prozent senken. Beim neuen Hauptquartier in München sorgen 30'000 Sensoren dafür, dass dieser gar um 90 Prozent tiefer liegt. Das Unternehmen setze dabei das ganze Produkt-Portfolio ein und entwickle einen «Showcase», der auch Kunden überzeugen soll. «Ausser der Katholischen Kirche und der FIFA hat wohl niemand einen globaleren Footprint.» Entsprechend wichtig ist es, dass Siemens zukunftsweisende Lösungen bei Kunden implementieren kann.
Am Nachmittag wurden im Rahmen von 17 «Innovationsforen» spezifische Themen vertieft. SATW-Generalsekretär Dr. Rolf Hügli moderierte das Forum «Mobilität der Zukunft: Grenzenlose Veränderung?». In seiner Einleitung betonte er den untragbar hohen Ausstoss an Treibhausgasen durch die Mobilität und stellte die Frage, wie dieses Problem lösbar sei. Dr. Peter de Haan von EBP erwähnte die Kluft zwischen politischen Zielen und Realität: Zwar hätten hohe CO2-Abgaben eine regulierende Wirkung und förderten die Elektromobilität. Andererseits sei Mobilität so günstig wie nie und die Anzahl Fahrzeuge sowie Personenkilometer steige. Dr. Jürgen Baumann von Siemens zeigte auf, wie gross das Energiesparpotenzial bei Gebäuden ist, schon wenn man nur «an den Schaltern dreht». Er setzt grosse Hoffnung in die Elektromobilität. Der zusätzliche Strombedarf lasse sich durch Zubau grosser konventioneller Kraftwerke und erneuerbarer Energieerzeugung sowie durch Importe und mehr Energieeffizienz erreichen. Er zitierte den Forscher Richard Randoll (Interview), der das «Aus» für den Verbrennungsmotor für 2026 prophezeite. Dr. Roland Bilang, Geschäftsführer der Erdöl-Vereinigung, sieht das naturgemäss anders: Er sprach von der «Erfolgsgeschichte des Verbrennungsmotors» und davon, wie der durchschnittliche CO2-Austoss von PKWs seit 2000 um rund 25 Prozent gesunken ist. Auch betonte er das Potenzial von Biotreibstoff: Um denselben Effekt wie bei 5 Prozent Biodiesel zu erreichen, seien 200'000 Elektrofahrzeuge nötig. Eine solche Zahl liege hierzulande in weiter Ferne.
Laut David Thiel, scheidender CEO der Industriellen Werke Basel (IWB), gehen 40 Prozent des CO2-Austosses auf Kosten der Mobilität. Als Versorger seien die IWB stark in der analogen Welt daheim, die Zukunft spiele aber in der digitalen. Man müsse nun beide Welten vernetzen, um urbane Mobilitätsbedürfnisse zu erfüllen. Daniela Decurtins, Direktorin des Schweizerischen Verband der Gasindustrie, setzt auf erneuerbare Treibstoffe und eine zunehmende «Netzkonvergenz» mit Konzepten wie Power-to-Gas. Bezüglich Antriebstechnologie hätten Brennstoffzellen das grösste Potenzial. Zudem müsse man bei CO2-Emission den ganzen Lebenszyklus betrachten.
In der Diskussion prallten die Standpunkte wuchtig aufeinander: Während laut Daniela Decurtins unsere Stromversorgung eine volle E-Mobilität nicht bewältigen könne, sieht David Thiel da kein Problem. Jürgen Baumann glaubt, die Nachfrage werde das Angebot steuern. «Ich setzte die Leute gerne in meinen i3 und sage ihnen, sie sollen Gas geben. Das überzeugt sie». Roland Bilang entgegnete, dass viele Konsumenten weiterhin Benziner fahren wollen. Auf die Frage, wie die CO2 Ziele von Paris tatsächlich erreicht werden könnten, lautet seine Antwort: «Kernkraftwerke bauen.» Damit konnte David Thiel wenig anfangen: «Das Restrisiko ist inakzeptabel». Er sieht die Zukunft in der dezentralen Stromproduktion. Dies mache das System sicherer und reduziere die heutige Gefahr für die heutige Versorgung durch Unterbrüche der Hochspannungsleitungen, z.B. bei Stürmen. Zudem forderte er eine gemeinsame Vision: «Es kann nicht sein, dass jeder bastelt und wer im Bundeshaus am lautesten schreit, bekommt das meiste Geld.» Roland Bilang bezweifelt, dass in den Städten genügend erneuerbare Energie produziert werden kann. «Visionen sind gut, aber man muss realistisch blieben.» Andererseits ist auch das Potential für Biotreibstoffe in der Schweiz limitiert. Laut Daniela Decurtins muss der Wettbewerb der Ideen spielen: «Es braucht verschiedene Ansätze, aber gleich lange Spiesse.» Dies sei heute bei Power-to-Gas nicht der Fall. Peter de Haan sprach von einem «Eintopf mit vielen Zutaten.» So z.B. Gas für gewisse Flotten, Elektromobilität für kleine Fahrzeuge, Biotreibstoffe und Hybridisierung für andere. Aber: «Mit allen Beiträgen werden wir die Klimaziele knapp verfehlen, zumindest in den Industriestaaten.»
Das Forum wurde mit einem zweiten Workshop zum Thema «Neue Geschäftsmodelle der Mobilität» fortgesetzt: Dabei wurden Beispiele aus der Schweiz wie carvelo2go, die E-Force-Lastwagen oder das Projekt Cargo sous terrain vorgestellt und diskutiert. Die Erfolgsfaktoren für solche Geschäftsmodelle hat der Verband Asut untersucht. Sie wurden von Geschäftsführer Christian Grasser präsentiert: Wichtig seien u.a. eine iterative Entwicklung gemeinsam mit Kunden und Partner, ein konsequentes Denken aus Kundensicht, das Vermitteln von Emotionen und ein funktionierendes Ökosystem mit langfristigen Partnerschaften.
Adrian Sulzer, Leiter Kommunikation und Marketing, Tel. +41 44 226 50 27, adrian.sulzer@satw.ch