Expertinnen und Experten der SATW diskutierten Anfang November an den Journées de Réflexion industriell relevante technologische Entwicklungen. Dies ist Teil der Früherkennung der SATW im Auftrag des Bundes.
Die SATW ist dank gewählten Einzelmitgliedern, Mitgliedsgesellschaften sowie Expertinnen und Experten das bedeutendste Expertennetzwerk im Bereich Technikwissenschaften in der Schweiz. Im Auftrag des Bundes identifiziert die SATW mithilfe dieses Netzwerks industriell relevante technologische Entwicklungen. Innerhalb der SATW ist der Wissenschaftliche Beirat (WBR) zusammen mit den Themenplattformen für diese «Früherkennung» zuständig. Dazu formuliert der WBR mit den Inputs der Themenplattformen jährlich einen Früherkennungsbericht. Dieser dient als Grundlage für den Technology Outlook, der alle zwei Jahre veröffentlicht wird, letztmals im Mai 2017. Zudem treffen sich einmal im Jahr ausgewählte Vertreter des Netzwerks zu den Journées de Réflexion. Dort werden die technologischen Entwicklungen und deren mögliche Auswirkungen auf die Schweiz als Werkplatz und Lebensraum diskutiert. Daraus entstehen Vorschläge für Projekte und Schwerpunktprogramme. Am 9. und 10. November war es wieder soweit.
Eine der relevantesten technologischen Entwicklungen ist die Robotik. Dabei geht es weniger um Industrieroboter, sondern um kollaborative Roboter. Diese können ihre Umgebung wahrnehmen und somit ohne besondere Schutzeinrichtungen operieren. Sie können Menschen bei der Arbeit oder zu Hause unterstützen, zum Beispiel als Haushaltsroboter wie Staubsaugerroboter. Dies ist ein riesiger Wachstumsmarkt. Für die SATW stellt sich immer die Frage, was die konkreten Chancen, aber auch Risiken solcher Entwicklungen für die Schweiz sind. Bei der kollaborativen Robotik sieht die SATW eine grosse Chance für die Schweizer Maschinenindustrie und Medizintechnik, denn die Schweizer Forschung verfügt über die notwendigen Kompetenzen und Ressourcen. Flugroboter haben in der Landwirtschaft, bei «Search and Rescue»-Missionen sowie im Bau ihre Feuertaufe bestanden. Die Schweiz ist im Bereich professioneller Flugroboter gut aufgestellt, Schweizer Start-ups gehören zur Weltspitze. Wie bei vielen Entwicklungen braucht es für die industrielle Umsetzung Risikokapital. Dazu wurde die Swiss Entrepreneurs Foundation gegründet, was die SATW sehr begrüsst.
Die Photonik gilt als Basis für die Entwicklung bedeutender technischer und industrieller Anwendungen. Sie zählt laut EU-Kommission zu den sechs «Key Enabling Technologies». Aus Sicht der SATW ist die Schweiz ein exzellenter Standort sowohl für akademische Forschung als auch für die Photonikindustrie. Für die Schweiz ist vor allem die Entwicklung von neuartigen, hochintegrierten Systemen relevant, welche rein optische Verarbeitungs- und Messtechniken kombinieren. Damit lässt sich die Oberfläche eines Werkstücks bearbeiten und in situ vermessen, ohne dass dieses bewegt werden muss. Diese kombinierte Technologie ist eine grosse Chance für die Schweizer Optik- und Maschinenbauindustrie.
Auch technologische Entwicklungen in Medizin und Biotechnologie waren Thema der diesjährigen Journées. Dabei ging es unter anderem um Mikrobiota und Mikrobiome. Mikrobiota sind die Gesamtheit aller Mikroorganismen im menschlichen Körper, das Mikrobiom die Gesamtheit ihrer Gene/Genome. Die menschliche Haut und Schleimhaut ist von Geburt an mit Bakterien, Pilzen und manchmal auch Viren besiedelt. Jeder Mensch hat also seine persönliche Mikrobiota und diese ist für seine Gesundheit sehr wichtig. Die Mikrobiom-Forschung steht noch am Anfang, aber die Fortschritte sind beachtlich. Geforscht wird an Behandlungen von Diabetes, Krebs, Reizdarmsyndrom, aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Mikrobielle Therapeutika könnten klassische Antibiotika ersetzen. An der ETH Zürich wird zudem fachübergreifend darüber geforscht, wie Darm und Hirn miteinander kommunizieren.
Künstliche Intelligenz eignet sich für extrem vielfältige Anwendungen. Das Spektrum reicht von Bild- und Spracherkennung über Augmented Reality in der Medizintechnik und im Maschinenbau bis hin zu selbstfahrenden Autos und Drohnen. 2017 hat die SATW ein Forum zum Thema organisiert. In einem anschliessenden Brainstorming der Themenplattform wurden Empfehlungen formuliert: Die Schweiz soll sich als sicheren Ort für Daten positionieren und das Sammeln gekennzeichneter Daten vereinfachen. Dazu ist eine Zertifizierung von Systemen nötig, damit klar ist, was man von diesen z.B. punkto Robustheit erwarten kann. Die Zertifizierungsstelle sollte auf Regierungsebene angesiedelt sein. Zudem sollte ein geeignetes Set-up für Schweizer KMU geschaffen werden, damit diese von Künstlicher Intelligenz profitieren können. Neben den vielen Chancen hat Künstliche Intelligenz auch ein Imageproblem, da sie stark mit dem möglichen massiven Verlust von Arbeitsplätzen verbunden wird. Dies muss aber nicht der Fall sein. Es liegt an der Schweiz und ihren Akteuren, die Chancen der Künstlichen Intelligenz zu nutzen, ohne die Risiken zu verharmlosen.
Die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung ist eine grosse Herausforderung. Im Zentrum steht aber nicht die Produktion, sondern die Verteilung. Beispielweise werden heute viermal mehr Lebensmittel weggeworfen, als nötig wären, um alle zu ernähren, die an Mangelernährung leiden. In der ganzen Wertschöpfungskette – Landwirtschaft, Verarbeitung, Verkauf an Endkunden, Verzehr, Reaktion des Körpers (Gesundheit/Krankheit) – gibt es Chancen für Verbesserungen der Prozesse. Dafür können viele Ansätze genutzt werden, mit denen sich die SATW beschäftigt, wie Big Data/Digitalisierung, Robotik, Additive Fertigung, Künstliche Intelligenz, Medtech und vieles mehr. Speziell für den Lebensmittelbereich sind die sehr kritischen Konsumenten als Endnutzer. Wenn Lebensmittel immer billiger sein sollen, dann leidet natürlich die Qualität. Wenn Konsumenten jedoch Vertrauen in die Qualität der Lebensmittel haben, sind sie auch bereit mehr zu bezahlen. Besonderheiten der Schweiz machen «Versuchsanlage für Innovationen» im Lebensmittelbereich möglich: Weltklasse-Expertise in Hochschulen und Industrie, Innovationsfähigkeit, grosse Bereitschaft der Bevölkerung, Geld für Lebensmittel auszugeben.
Inzwischen stammt jedes zweite zugelassene Medikament aus einem Biotechlabor. Anlass, um sich etwas genauer mit einer neuen Technologie namens CRISPR zu beschäftigen. Ein besonderes Werkzeug, mit dem es möglich ist, genau dort in der DNA zu schneiden, wo es gewünscht ist. Das ging bislang kaum. Mit CRISPR kann zudem auch ein neues DNA-Stück genau an der beabsichtigten Stelle eingebaut werden. Dennoch sind Fehler möglich. Diese Nebeneffekte konnten in der Zwischenzeit schon verringert werden. Was der Technologie aber wirklich fehlt, ist ein standardisiertes Prozedere, damit Experimente aus unterschiedlichen Labors adäquat verglichen werden können.
Dieser Beitrag ist der Auftakt für eine Blog-Serie zum diesjährigen Früherkennungsbericht. In mehreren Beiträgen stellen wir im Verlauf der kommenden Wochen unsere Erkenntnisse zu einzelnen Technologien im Detail vor.
Beatrice Huber, Kommunikation und Marketing, Tel. +41 44 226 50 17, beatrice.huber@satw.ch
Claudia Schärer, Leiterin Früherkennung, Tel. +41 44 226 50 20, claudia.schaerer@satw.ch