Wie Technologie die Hörakustik revolutioniert

Digitalisierung Weitere Themen 11:45

Hörgeräte sind heute weit mehr als nur Hörhilfen. Dank modernster Technologien wie künstlicher Intelligenz, dynamischer Sensorik und Bluetooth bieten sie Menschen mit Hörbeeinträchtigung eine völlig neue Lebensqualität. Christoph Schwob, Hörsystemakustiker und Unternehmer aus Basel, gibt in einem Gespräch mit zwei SATW-Experten Einblicke in die technologische Entwicklung, die Herausforderungen der Branche und die spannenden Zukunftsperspektiven.

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Die Hörakustik hat eine beeindruckende Transformation durchlaufen. Hörgeräte, die noch Anfang der 2000er-Jahre klobig und auffällig waren, sind heute smarte Hightech-Winzlinge, die kaum noch sichtbar sind. Hörgeräte enthalten heutzutage diverse Technologien, die das Hörerlebnis um ein Vielfaches verbessern. Dazu gehören künstliche Intelligenz (KI), Sensorik, Bluetooth und lernende Systeme. KI analysiert Umgebungsgeräusche in Echtzeit, filtert Störschall und verstärkt relevante Stimmen. Sensorik hingegen ist zentral, weil dank Bewegungssensoren die Kopfposition oder Körperbewegungen erkannt und damit die Mikrofone entsprechend angepasst werden. Bluetooth ermöglicht Audio-Streaming, Freisprechtelefonie und Steuerung per Smartphone-App. Und lernende Systeme passen sich dynamisch an die Hörbedürfnisse der Nutzer:innen an und optimieren ihre Leistung kontinuierlich.

«Hörgeräte sind mehr als Alltagshelfer – sie sind ein Symbol dafür, wie tragbare Technologien unsere Lebensqualität nachhaltig verbessern können.»

Christoph Schwob

Gesundheitsplattform der Zukunft

Die technologische Weiterentwicklung macht Hörgeräte zu multifunktionalen Gesundheitsplattformen. Neben der Hörunterstützung bieten sie zahlreiche zusätzliche Funktionen. Beispielsweise messen Sensoren den Puls und erkennen Stresslevel, manche erkennen auch Stürze. Dies bietet ein Plus an Sicherheit und Komfort. Hörgeräte könnten sich in Zukunft gar automatisch an den mentalen Zustand der Träger:innen anpassen, z. B. durch das Filtern störender Geräusche bei Stress. Eine andere wichtige Funktion besteht darin, dass Apps den Verlauf des Hörvermögens dokumentieren und frühzeitig auf Veränderungen hinweisen könnten. Diese zusätzlichen Funktionen eröffnen neue Perspektiven nicht nur für Menschen mit Hörverlust, sondern auch für die Gesundheitsbranche insgesamt.

«Mit KI-gestützter Spracherkennung und Technologien wie Bluetooth entwickeln sich Hörgeräte zu Gesundheitsplattformen, die weit mehr leisten als nur Hören.»

Christoph Schwob

Neues Niveau dank Biotechnologie und KI

Neben den technologischen Fortschritten in der Signalverarbeitung eröffnen auch biotechnologische Ansätze neue Möglichkeiten in der Hörakustik. Innovationen, die die Hörakustik prägen werden, ist beispielsweise die Stammzelltherapie, die künftig die Regeneration von Hörzellen ermöglichen könnte. Eine Herausforderung besteht zurzeit jedoch darin, die Tonhöhen exakt zu rekonstruieren. Neuronale Netzwerke und KI werden die Spracherkennung und Geräuschtrennung weiter verbessern und Hörgeräte noch intelligenter machen. Selbstlernende Systeme weisen ein Potenzial auf, sich an die individuellen Hörgewohnheiten der Nutzer:innen anzupassen und diese künftig kontinuierlich zu optimieren. Die Kombination aus Biotechnologie und künstlicher Intelligenz scheint vielversprechend und wird die Hörakustik auf ein neues Niveau heben.

Massgeschneiderte Technologie für jeden Alltag

Die Individualisierung ist ein wichtiges Thema. Moderne Hörgeräte erkennen verschiedene Hörumgebungen und passen sich automatisch an. Neben der technischen Kompensation des Hörverlusts unterstützen Hörgeräte zudem das Gehirn bei der Verarbeitung akustischer Signale. Im Zentrum steht auch das frühzeitige Handeln: Je früher ein Hörverlust behandelt wird, desto besser bleibt die kognitive Verarbeitung des Gehörs erhalten. Individualisierte Lösungen sind der Schlüssel, um Menschen nicht nur das Hören zu erleichtern, sondern ihnen auch eine aktive Teilnahme am sozialen Leben zu ermöglichen.

Unbehandelte Hörverluste sind nicht nur ein individuelles Problem, sondern auch eine gesellschaftliche Herausforderung. Sie führen häufig zu Isolation, Depression und wirtschaftlichen Nachteilen von Betroffenen. Technologische Innovationen, gezielte Früherkennung, Prävention und gesellschaftliches Bewusstsein können dazu beitragen, die Folgen und die stille endemische Verbreitung von Hörverlust nachhaltig zu reduzieren.

«Kein Mensch hört gleich – und die Anforderungen an Hörgeräte sind so vielfältig wie ihre Träger:innen. Der Alltag einer Lehrperson stellt andere Ansprüche an ein Hörgerät als der einer Person, die in der Gastronomie arbeitet.»

Christoph Schwob

Technologie als Schlüssel zur Lebensqualität

Die Hörakustik zeigt eindrucksvoll, wie tragbare Technologien die Lebensqualität verbessern können. Von KI-gestützten Hörgeräten über Sensorik bis hin zu biotechnologischen Innovationen – die Zukunft dieses Bereichs ist faszinierend und vielversprechend. Für Technikinteressierte und Fachleute gleichermassen bleibt die Hörakustik ein Bereich, in dem Innovation und individuelle Bedürfnisse Hand in Hand gehen.

Autoren:

Daniel Gygax und Kaspar Eigenmann