Kritische Rohstoffe sind das Öl der Zukunft

Energie und Umwelt 13:23

Wenn Rohstoffe knapp werden, müssen sich Unternehmen und Forscher:innen etwas einfallen lassen. Die «Tage der Technik» zeigen, zu welch überraschenden Innovationen dies führen kann. Die rohstoffarme Schweiz ist auf diese angewiesen, denn um kritische Rohstoffe wird künftig noch härter gerungen. 

Text: Janine Hosp,  Bilder: Nicolas Zonvi

Corsin Battaglia erforscht die Batterie der Zukunft und er wird oft gefragt: «Was ist das nächste grosse Ding? Wo lohnt es sich zu investieren?» Schnell reich würde, wer eine Batterie produziert, die wenig kostet und lange hält, die energiedicht und umweltfreundlich ist und für die es auch keine kritischen Metalle wie Lithium braucht. Sie wäre die Batterie der Zukunft.

Die Schweiz ist reich an Rohstoffen 

Bis diese aber erfunden ist, würde Battaglia antworten: «Behalten Sie Feststoff- und Natrium-Batterien im Auge.» Er selber, der bei der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa forscht, tut dies auch. Diese Batterien haben eine hohe Energiedichte und sie laden sich so schnell auf, dass die Zellen dabei weniger geschädigt werden und die Batterie länger hält.

«Früher haben wir viel bezahlt, um das Abbruchmaterial loszuwerden. Heute machen wir zirkulären Beton daraus.» 

Patrick Eberhard 
Eberhard Unternehmungen

Corsin Battaglia stellte seine Forschung am 28. September in der Empa an den «Tagen der Technik» des Berufsverbands Swiss Engineering vor. Die Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften SATW ist zusammen mit der Empa und dem Verband Swissmem langjährige Partnerin bei der Durchführung des Anlasses.

Das Thema dieses Jahr: Wie treibt die Ressourcenknappheit Innovationen voran? Beispiele dafür gibt es viele, wie die Referate zeigen: 

  • Laurent Callière von der Firma Swisspor erörtert, wie diese aus abgebrochenen Häusern Wärmedämmplatten herstellt. Dafür verwerte Swisspor die alten Platten. Für Callière ist die Schweiz ein rohstoffreiches Land – reich an sekundären Rohstoffen. Hier ist so viel Dämmmaterial verbaut, dass es dem Unternehmen für 500 Jahre reichte.  

  • Die Firma Eberhard Unternehmungen hat früher viel bezahlt, um Abbruchmaterial loszuwerden, wie Patrick Eberhard sagt. Heute stellt sie aus diesem sekundären Rohstoff zirkulären Beton her und hat ihn bereits zu 115 Häusern verbaut. 

  • In der Empa in Dübendorf erforscht ein Team, wie man mit weniger Beton bauen und ihn einfach wiederverwenden kann. Die Forscher:innen kamen zum Schluss: Es geht mit weniger, wenn man sich die Stärken eines Materials zunutze macht. Beton kann gut Druck widerstehen, deshalb wählten sie wie früher im Kathedralenbau eine Kuppelform. Sie spritzten den Beton auf ein Geflecht aus Stahlseilen und Textil und – damit die Kuppel durch das Gewicht am Ende nicht durchhängt – berechneten digital, wie sie den Beton am besten anbringen. 

Zu sehr auf China angewiesen 

Während in Dübendorf diese Projekte vorgestellt wurden, kamen in Paris auf Einladung der Internationalen Energieagentur  Vertreter:innen aus über 50 Ländern zusammen und suchten nach Wegen, wie sie sich bei seltenen Erden und kritischen Rohstoffen aus der Abhängigkeit Chinas lösen können (s. Infobox weiter unten).

«Lithium und seltene Erden werden bald wichtiger sein als Öl»

Ursula von der Leyen 
Präsidentin der Europäischen Kommission 

Das Problem: Wenn die globale Welt die Energiewende meistern will, muss sie fossile Energieträger durch Erneuerbare ersetzen – und Autos mit Verbrennungsmotoren durch solche mit Elektroantrieb. Für die Batterien der Elektroautos braucht es heute aber noch kritische Rohstoffe wie Lithium oder Kobalt. 

Sind seltene Erden und kritische Rohstoffe dasselbe?

Eine sogenannte seltene Erde kann zugleich auch ein kritischer Rohstoff sein, wenn sie die Kriterien für beide erfüllt. Etwa Scandium: Es zählt zu den 17 chemischen Elementen, die als «Metalle der seltenen Erden» bezeichnet werden. Es sind allesamt weiche, meist silberfarbene Elemente, die sehr reaktionsfähig sind und an der Luft rasch anlaufen. Selten sind allerdings nicht - selten sind nur die Gesteine, in denen sie in so hoher Konzentration vorkommen, dass sich der Abbau lohnt. Die meisten von ihnen liegen in China. Diese Metalle sind für Schlüsseltechnologien wie Elektromotoren oder Windturbinen, aber auch für viele Elektrogeräte im Haushalt unverzichtbar. Entsprechend wichtig sind sie heute. 

Scandium steht aber auch auf der Liste der kritischen Rohstoffe der EU, zusammen mit 34 weiteren Stoffen. Da die Nachfrage nach vielen Rohstoffen steigt, muss die EU regelmässig weitere Stoffe auf die Liste setzen. Es sind allesamt Stoffe, die für Wirtschaft und Gesellschaft unverzichtbar sind und bei denen gleichzeitig ein hohes Risiko eines Versorgungsengpasses besteht. Zum Beispiel, weil die EU ein Stoff vollumfänglich aus einem Land von ausserhalb der Union importieren muss. 

Strategische Rohstoffe spielen eine wichtige Rolle bei der grünen und digitalen Transformation, aber auch bei Technologien für Verteidigung und Raumfahrt. 

Batterien besser nutzen

«Lithium und seltene Erden werden bald wichtiger sein als Öl», sagte einst Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission. Lange waren sich die  Unternehmen nicht bewusst, dass es schwieriger wird, sogenannte kritische oder strategische Rohstoffe zu beschaffen (s. Box). Dies erklärt Alessandra Hool in ihrem Referat. Sie ist CEO des Entwicklungsfonds Seltene Metalle. Die Situation hat sich in den letzten Jahren aber verbessert – Unternehmen haben gemäss einer Umfrage zwar noch nicht alle ihre Massnahmen umgesetzt, um Versorgungsengpässe zu verhindern, aber viele haben jetzt einen Plan.

Wie hoch das Risiko von Versorgungsengpässen ist, können Unternehmen auf der Website www.metal-risk-check.ch in Erfahrung bringen. Dort finden sie zudem Informationen, wie sie bestimmte Stoffe ersetzen oder mithilfe der Kreislaufwirtschaft besser nutzen können. Allerdings: Viele kritische Rohstoffe werden heute kaum zurückgewonnen – dies ist oft aufwändig und entsprechend teuer.  

Um dies zu ändern, suchen sieben Forschungsinstitutionen und 24 Unternehmen in der Schweiz im Rahmen des Projekts CircuBAT nach Möglichkeiten, wie Rohstoffe aus Lithium-Ionen-Batterien in einen Kreislauf gebracht und jeder Lebensabschnitt einer Batterie nachhaltiger gemacht werden kann.  

Corsin Battaglia und sein Team forschen an einer Batterie, für die es erst gar kein Lithium, Kobalt oder Nickel mehr braucht. Als Alternative bieten sich Natrium und Zink an. Sie sind nicht nur besser verfügbar, sie sind auch günstiger und umweltfreundlicher. Der Nachteil ist jedoch, dass Natrium-Batterien grösser sein müssen, weil sie noch weniger energiedicht sind. 

Diese Dichte zu erhöhen, das ist nun eine der vielen Herausforderungen für die Forscher:innen, um die Batterie der Zukunft zu entwickeln.  

 

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